3 Posaunen. 1 Tuba. 2 grobe Stöcke

OENM / URAUFFÜHRUNGEN

28/05/21 Eine „postcard from heaven“ mit Uraufführungen von Robert Moran und Rupert Huber, samt einem Werk von John Cage, schrieb das Österreichische Ensemble für Neue Musik in und aus der Kollegienkirche.

Von Erhard Petzel

Rupert Huber kennt die Kollegienkirche aus früheren Projekten, etwa Buddha goes to Bayreuth, und weiß, wie sie zu bespielen ist. Für die zweite Uraufführung des Abends zeichnet er als Komponist, für die erste als Dirigent verantwortlich. Beide Werke rekurrieren auf diesen speziellen Ort und seine spezifische Akustik, das Thema des Konzerts manifestiert sich am Hochaltar, über dem sich Fischer von Erlachs geniale Auflösung der architektonischen Strukturen durch einen verspielten Blick in einen wurlenden Himmel voller Wolken und Engel eröffnet.

Zunächst rollen wellen der stille, geschrieben 2020 von Robert Moran durch den Raum. Das oenm fährt mit Bläsern, Streichern, Orgel (Keyboard), Akkordeon, Harfe und Schlagwerk groß auf, um verhaltene Klangflächen zu entfalten. Huber gibt als Dirigat eine lange Folge großer Handkreise. Ist die Linke am Zenit, übernimmt die Rechte, bis ihre Abwärtsbewegung am Körper endet, die Linke unten fortsetzt und wieder ihrem Zenit zustrebt. Die Viertel werden durch einen kleinen Schlenker verdeutlicht. Diese optische Struktur findet ihren Niederschlag in der Organisation der Komposition, die diesen Kreisen und deren Viertel folgt. Spezifische Einsätze erfolgen mit der jeweils freien Hand.

Man sollte zur Charakterisierung der Musik einfach Karin Wagners Text aus dem Programmheft übernehmen für musterhaft poetische Synästhesie. Er ist ein Meisterwerk. Mit der Behauptung einer Erkundungsarbeit nach dem Phänomen „Stille“ überspannt sie aber den Bogen. Das Problem der vielen Kreise ist vielmehr das andauernde Tönen von meist gedämpften Klangereignissen. Vollendung in Klangmagie kommt dabei nur fallweise beim Hörer an. Vielleicht spielen Sitzplatz und Raumakustik eine Rolle, vielleicht wäre aber auch eine Abkehr von der Durchgängigkeit eines Konzepts für manche Kompositionen vorteilhaft.

Katharina Teufel-Lieli realisiert dann auf der Harfe das Konzert-Motto mit „postcard from heaven“ von John Cage. Beginn und Schluss erstehen im Kunstklang, initiiert von einem Superball. Auch ein Schlägel kommt für spezielle Seitenklänge zum Einsatz. Großteils aber entwickelt sich die Musik aus leitergebundenem Material, das sich von einfachen Grundmustern zu teils komplexen Figuren und Improvisationen aufbaut, für die Cage Anregungen aus der indischen Musiktradition aufgreift. Die Harfe entfaltet im Zentrum unter der Kuppel jedenfalls ihre transzendente Atmosphäre.

Rupert Huber nützt für sein ZOOM oder die Verwandlung des zorns die Raumsituation dann exzessiv. 3 Posaunen und 1 Tuba auf den Brüstungen wechseln einander ab mit Einspielungen oder überlagern sie. Zunächst sind die Ereignisse kurz und spärlich, Obertongesang, Orientalisches und Triviales bestimmen die Atmosphäre, bis zu Verdichtung und vorläufigem Schluss. Das aber ruft Rupert Struber auf den Plan, der mit 2 groben Stöcken die riesige, den Eingang zum Altarraum beherrschende Kou beschlägt. Es ist ein großes, wildes Solo auf dieser chinesischen, ihren Spieler weit überragenden Trommel, ein Ritual mit Schreien, Schlagkaskaden und Wirbeln.

Das tiefe Blech und die urtümliche Trommel finden sich zu einem facettenreichen Miteinander. Über den dumpfen Rhythmus-Bordun entwickelt sich auf den Brüstungen zunächst eine Kommunikation zwischen den Bläsern aus einfachen Rufen, die Komplexität in Ensemblebildung und Klangstrukturen steigern sich und differieren in verschiedenen Blöcken.

Als Konzepte im Hintergrund gelten anfangs ein Zugehen auf Salzburg aus allen Richtungen (Zoom) und die kultische Bedeutung der Instrumente (Posaunen und Tuba als Engelsausstattung). Unabhängig von solchen Narrativen ist die Wirksamkeit solcher Instrumente im Kirchenraum natürlich in hohem Maße imposant, vor allem, da sich hier Raumwirkungen mit interessanten Ensemblestrukturen verstärken. Das oenm hat ein kräftiges Lebenszeichen gesetzt in einer trotz Corona-Sicherung gut besuchten Vorstellung.

Die weiteren Termine und Konzerte des oenm - www.oenm.at
Bilder: dpk-klaba