Die Stimme

KONGRESSHAUS / THOMAS QUASTHOFF

22/07/10 Wäre er nicht so gut, würde man sagen, er habe den Beruf verfehlt: Jazzsänger hätte Zhomas Quasthoff werden sollen, anstatt Schubert und Konsorten zu frönen, Kabarettist, Entertainer – all in one, sozusagen.

Von Christiane Keckeis

Nichts hielt das elegante Publikum in den Sitzen, bei der Jazzgala am Mittwoch (21.7.) im Kongresshaus: Frenetischer Jubel nahe der Rockhouse-Atmosphäre. Thomas Quasthoff, international gefeierter Lied- und Oratoriensänger mit farbenreicher Samtstimme,  ließ schon vor drei Jahren mit seinem ersten Jazz-Album aufhorchen, nun steht das zweite bevor: „Tell it like it is“ - und der Titel ist Programm: freier, mutiger, risikofreudiger ist der Sänger geworden, sowohl was Gestaltung als auch Titelwahl betrifft. Er spielt mit allen Facetten seiner unglaublichen stimmlichen Möglichkeiten, ganz ohne Rücksichten auf die Stimmbänder und die Hörgewohnheiten des doch eher gediegenen Publikums.

Da schaut wohl Bobby McFerrin von der Seite herein, Al Jarreau winkt vom Eck und Louis Armstrong ist auch nicht weit entfernt – aber letztlich ist es stets Quasthoff, unverwechselbar, eigen, leidenschaftlich, risikobereit und authentisch bis zum Schmerz.

Rock, Soul, Blues, Country, Swing - alles ist dabei an diesem Abend, eine wilde Mischung, sehr individuell, temperamentvoll. Eigentlich passt nichts zusammen, aber aus dem innigen Einlassen auf den jeweiligen Stil wird klar: Nichts davon wäre verzichtbar.

Und dann die stillen Momente, wo Luftanhalten angesagt wäre (anstatt des vom Künstler monierten Dauerhustens) und wo Gänsehaut nicht (nur) der - den leicht bekleideten Damen eisig erscheinenden- Klimaanlage zuzuschreiben ist: mutige „Remakes“ wie „Georgia“ und Lennons „Imagine“ gelingen in der Intensität und individuell starken Neuinterpretation.

Leben und Lust versprühen die Musiker und stecken an, wenn der Stil ins Rockige, Swingende, manchmal gar Funkige weist: „Halleluja and I love you so!“ - das kommt vom Publikum ungefiltert zurück. Inspirierte Soli wie das des Kontrabassisten Dieter Ilg, der für „I can´t stand the rain“ fedrig leicht die Illusion von beginnendem Regen auf seinem mächtigen Instrument visualisert, verzaubern und begeistern. Die Lichtshow mit einfachen, aber kunstvollen Effekten und absolut perfekter Abstimmung auf die Musik (da könnte sich so mancher Techniker etwas Genauigkeit abschauen) tut das ihre dazu.

Künstlerpersönlichkeiten wie der Gitarrist Bruno Müller, der sensible Balladen mit seinen Gitarren ebenso beherrscht wie fetzenden Rock, der Pianist Frank Chastenier, der frappierend an die Muppetshow erinnert, Dieter Ilg und Wolfgang Haffner mit Drive und Akrobatik am Schlagzeug bilden das gut zusammengespielte Team rund um die Stimme, stets in Verbindung, im Dialog. Das schafft Raum für Spontaneität, gemeinsames Improvisieren, Überraschung und immer wieder pure Freude.

Herrlich auch das locker-bissig Entertainment, mit dem der Sänger durch den Abend führt, da wird gemosert, gewienert und geniedersächselt. Kabarettreifes, dann wieder Berührendes, Selbstironisches in wechselnder Folge – das Publikum bleibt ganz bei der Sache: Man könnte ja etwas verpassen.

Nach einem solchen Abend – beglückend, berührend, belebend - lässt sich schlussendlich nur sagen: Lieber Herr Quasthoff, wie schade, dass das nur Ihr Hobby ist!

Bild: www.rbartists.at / DGG / Jim Rakete