Atem, aus dem die Welt hervorging

HOFHAYMER GESELLSCHAFT / URAUFFÜHRUNG / BRUNO STROBL

25/09/20 Aerosole hin oder her, Luft ist Leben. Und Leben ist nicht immer gesund. Geschrieben wurde Sphäre der Wandlungen, da war von Corona noch lange nicht die Rede. Der Uraufführungs-Termin 30. März ist in den „Lockdown“ gefallen. Da hätte man auch des 480. Todestages von Fürsterzbischof Matthäus Lang gedacht. Nun zu Ruperti hat es geklappt.

Von Heidemarie Klabacher

Wie es ausschaut, hat noch immer die Lage die Menschen im Griff und nicht umgekehrt. Es ist also fast nicht möglich, Sphäre der Wandlungen zu hören und völlig von der aktuell wieder dramatischer werdenden „Lage“ abzusehen. Sphäre der Wandlungen hat aktuelle Assoziationen freilich weder verdient noch nötig. Das Stück erzählt von der „Luft“ und beschließt Bruno Stobls über 18 Jahre hinweg  entstandenen Zyklus über die vier Elemente. Wasser.Leben, Erde, du liebe ich will und Feuer.Leben wurden 2002, 2004 und 2010 in Salzburg uraufgeführt. Nun folgte, ein halbes Jahr später als geplant, im Künstlerhaus die vierte Elemente-Uraufführung in Salzburg.

Es sind keine „Lieder“, sondern Ensemblestücke für zwei Soprane, Blockflöten, Kontrabass und Schlagzeug, denen viele liedhafte Momente eignen. Im Zentrum stehen drei Texte von Franz-Joseph Huainigg, die ganz konkret davon erzählen, wie es ist, an ein Atemgerät angeschlossen zu sein. Wie es ist, „erste Worte, erste Sätze“ mit neuer Stimme zu sprechen, zu „reden im Takt der Beatmungsmaschine“. Die ambivalente Haltung zur lebenserhaltenden Maschine – „Ich atme aus, sie schnurrt friedlich. Ich spreche, sie heult und zischt“ - ist Thema.

Vokalstimmen, Flöte, Kontrabass und punktgenau gesetzte Impulse des Schlagzeuges veranschaulichen die bedrohlichen Qualitäten des Atmens – „Ich halte den Atem an. Sie stößt Luft in mich hinein“, aber auch das langsame Übereinkommen der Atemwellen von Mensch und Maschine – „Da fasste ich vertrauen zu mir selbst, schlief, und atmete“.

Hier ist der Haken, der das Stück, zumindest dieser Tage, fast unvermeidbar ans leidige Coronathema hängt. Reizvoll werden die plakativen Texte durch die abstrahierende musikalische Umsetzung durch Bruno Strobl. Doch zu erinnern, dass Huainigg einst das Wiener KrüppelKabarett gegründet hat und als Abgeordneter Behindertensprecher im Nationalrat war, gibt einer rein literarischen Lesart einen weiteren Twist.

Jeweils drei weitere Texte, von Ferdinand Schmatz über Goethe und Jörg Zink bis hin zum Haiku, umrahmen den Mittelteil. Lieblingsstück? „Unter dem Blätterdach eines Baumes sitzt ein Busch und singt“, ein indianischer Spruch, wurde unter der Feder von Bruno Strobl zum federleicht-unruhevoll-heiteren Blätter-Flüstern-Flattern-Flirren: Ein Meisterwerk der Leichtigkeit.

Worte werden in Silben zerlegt, Silben gedehnt bis zu eigenständigen Linien: Nur oberflächlich ist alles wie üblich in zeitgenössischen Vokalkompositionen. Hier besticht die amalgamhafte Verschmelzung von Vokal- und Instrumentalpart, die zugleich über erstaunlich lange Passagen hinweg den Sängerinnen textverständliche Gestaltung ihrer virtuosen Parts erlaubt. Sphäre der Wandlungen legt sich den Sängerinnen zu Füßen.

Das je nach Programm variabel besetzte Hofhaymer Ensemble bestand anlässlich der Uraufführung am Donnerstag (24.9.) im Künstlerhaus aus Kaoko Amano (Sopran), Cordula Stepp (Mezzosopran), Anne-Suse Enßle (Blockflöten), Konrad Fichtner (Kontrabass) und Philipp Lamprecht (Schlagwerk). Die Besetzung ist klein, finanzierbar, das Werk somit jederzeit wiederholbar. Sphäre der Wandlungen, ein Auftragswerk der Internationalen Paul Hofhaymer Gesellschaft – hoffentlich ein künftiges Lieblingsstück von Sopranistinnen.

Die Konzerte der Internationalen Paul Hofhaymer Gesellschaft - www.hofhaymer-society.at
Bilder: dpk-klaba