Ein Meister der Melodie

ZUM 150. GEBURTSTAG VON FRANZ LEHÁR  

29/04/20 In seinem Schaffen verbinden sich die musikalischen Idiome der alten Monarchie mit Impulsen der „ernsten“ und der „unterhaltenden“ Musik seiner Zeit. Franz Lehár, der Meister der Melodie, verband Lebenslust und Sinn für Rhythmik mit stets vorhandener Melancholie, verschmolz zündende vokale Einfälle mit dem Klangzauber des Orchesters.

Gottfried Franz Kasparek 

Franz Lehár, geboren am 30. April 1870 in Komorn, damals Ungarn, heute Slowakei, war der  Sohn eines gleichnamigen Kapellmeisters der k. u. k. Armee. Schon als Kind begann er mit dem Klavierspiel, mit elf Jahren zu komponieren. Als 12jähriger Hochbegabter wurde er Student der Violine am Prager Konservatorium, beim berühmten Anton Bennewitz. Da den Instrumentalstudenten der Kompositionsunterricht verboten war, nahm er heimlich einige Stunden bei Zdenek Fibich. Er spielte auch Antonín Dvořák vor, der ihn dazu ermunterte, die Geige an den Nagel zu hängen und sich ganz dem Komponieren zu widmen. Der mit Lob stets geizende Johannes Brahms, den Vater und Sohn Lehár in Wien besuchten, äußerte sich anerkennend über die Klaviersonaten, Violinstücke und Lieder des Jünglings.

Das erste Engagement, noch als Geiger, hatte Lehár im deutschen Barmen-Elberfeld (heute Wuppertal). Doch schon mit 20 Jahren folgte er einem Ruf des Vaters und wurde zum jüngsten Militärkapellmeister Österreich-Ungarns. Diese Kapellen hatten damals auch Streicher in ihren Reihen und traten in der langen Friedenszeit in den Garnisonsstädten als Symphonieorchester auf. Pola, Triest, Budapest und Wien waren wesentliche Standorte des ehrgeizigen Kapellmeisters. Lehár begeisterte sich für Richard Wagner, hielt sich persönlich aber eher an den Verismo und strebte nach Opernlorbeeren. Später meinte er freilich: „In meiner Jugend habe ich mehr Geld mit dem Arrangieren anderer Werke verdient, als mit meinen eigenen Kompositionen“.

In dieser Beziehung befand er sich in bester Gesellschaft seines Zeitgenossen Arnold Schönberg, der Operetten instrumentierte, um zu überleben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Heros der Avantgarde als Komponist ebenso halber Autodidakt war wie Lehár; er hatte bloß Privatunterricht bei Alexander Zemlinsky. Beider durch Übung erworbene Kunst des Orchestrierens sollte sogar zu einer eigenartigen Zusammenarbeit führen. Lehár, eigentlich ein Meister dieses Fachs, was man anhand handschriftlicher Partituren überprüfen kann, hatte wegen der ihm viel wichtigeren, opernhaften Stücke „Das Fürstenkind“ und „Zigeunerliebe“ anno 1909 keine Zeit, die Operette „Der Graf von Luxemburg“ rechtzeitig zur Premiere fertig zu stellen. So engagierte er Schönberg als Mitarbeiter. Die Instrumentation entstand offenbar während der von Lehár geleiteten Proben. Wir werden nie erfahren, welche Idee da von wem stammte; das Ergebnis ist eine prächtig schillernde Kostbarkeit. Die beiden so unterschiedlichen Komponisten widmeten einander übrigens als Zeichen gegenseitiger Wertschätzung Partituren.

Lehár, seit 1902 Zivilist, wurde zum Großmeister der so genannten „Silbernen Operette“. Von kritischen Zeitgenossen wie Karl Kraus und Kurt Tucholsky oft und auch unter der Gürtellinie geschmäht, von Kollegen wie Joseph Marx oder dem seelenverwandten Freund Giacomo Puccini bewundert, schuf er zwischen 1902 („Wiener Frauen“) und 1943 („Garabonciás“, die großteils neu komponierte ungarische Opernfassung der „Zigeunerliebe“) mehr als zwanzig Bühnenwerke. Lehár wurde wohlhabend und ließ sich als freier Komponist in Bad Ischler und Wiener Villen nieder. In den 20er-Jahren schrieb er „ernste Operetten“ mit entsagungsvollem Ende und opernhaftem Anspruch für den Jahrhundert-Tenor Richard Taube, besonders etwa „Das Land des Lächelns“ (1929), „Der Zarewitsch“ (1927) oder das musikalisch wertvolle Goethe-Singspiel „Friederike“ (1928). Mit „Giuditta“, dem tragischen Drama einer obsessiv-triebhaften Liebe, gelang ihm 1934 der Einzug in die Wiener Staatsoper.

Im „Dritten Reich“ schaffte es der politisch naive, im Innersten seines Herzens der Monarchie nachtrauernde Lehár, seine jüdische Frau zu schützen, jedoch nicht seinen Librettisten Fritz Löhner-Beda und letztlich auch nicht seinen ersten Danilo, Louis Treumann. Dass Adolf Hitler Lehárs Musik liebte, kann man deren Schöpfer nicht vorhalten.

„ Ich setzte mir in den Kopf, Menschen zu schaffen, sie so zu schildern, dass sie unter uns gelebt haben könnten. Sie empfinden Liebe und Leid so wie wir. Natürlich musste ich diese Verinnerlichung in der Musik zum Ausdruck bringen. Ich musste unbewusst, wenn es die Handlung forderte, mit Opernmitteln kommen.“ Hat Lehár dies erreicht? Ja und nein. Seine Bühnenmenschen leiden oft an der Banalität ihrer Texte und der holprigen Dramaturgie vieler Handlungen. Doch fast immer schafft Lehárs Musik einen Subtext, der in jedem Takt ehrlich empfunden wirkt und menschliche Gefühle in stimmigen Momentaufnahmen darstellt.

Lehár schrieb zunehmend für geschulte Opernstimmen. Der grandiose Singschauspieler Louis Treumann hatte schon recht, wenn er die Rolle des Jozsi in „Zigeunerliebe´“ mit der Frage ablehnte: „Bin ich der Caruso?“ Die Sprechtexte können zwar ermüdende Längen erreichen, aber die Tendenz geht zu langen, durchkomponierten Finali im regen Wechsel zwischen Gesang, Melodrama und Tanz. Im Orchester herrschen oft dunkle Farben vor im Dialog mit der schwebenden Süße der hohen Geigen. Verblüffend, weil in Operetten ungewohnt, sind Bläsersoli von Saxophonen, Harfen-Glissandi oder der Einsatz von Celesta, Glockenspiel und Tambourin. Lehár lässt, völlig ungewohnt für die Kunstform, vereinzelt sogar Partituren schon vor der Premiere drucken („Frasquita“, 1922). Oder er arbeitet bis zwei Tage vor der Uraufführung an der Fertigstellung, wie an der mit Tinte geschriebenen „Zarewitsch“-Partitur mit 425 Seiten von 1926/27. Mit dem Vermerk nach dem Finale: „Mit Gott!!! 2 h früh beendet!“. Der Nachtarbeiter Lehár schreibt, wie Anton Bruckner, unter seine Partituren „Mit Gott“.

Ähnlich den Salzburger und Bregenzer Festspielen hofft auch das Lehár Festival Bad Ischl bis zuletzt - auch hier will man erst am 31. Mai entscheiden, ob es stattfinden wird. Geplant ist es für 11. Juli bis 30. August - www.leharfestival.at
Die Villa in Bad Ischl erwarb Franz Lehár im Jahre 1912. Bis zu seinem Tod 1948 verbrachte er fast alle Sommer in Bad Ischl. Im „Stöckl“, dem Nebengebäude der Villa, wird bald ein Opettenarchiv zur Verfügung stehen. In Zusammenarbeit der Stadtgemeinde mit dem Bundesdenkmalamt und der Kulturdirektion des Landes OÖ laufen Vorarbeiten für eine umfassende Renovierung der Lehár Villa.
Bilder: www.leharfestival.at