asdf
 

„als wenn ein Hund über die Orgl lief“

HINTERGRUND / KIRCHENMUSIK / MÜLLN

08/04/20 Obwohl die Kirchentore verschlossen bleiben, werden die österlichen Messen ja doch gehalten, und man wird sie – in kleinstem Kreise – wohl auch mit Musik ausstatten. In Mülln gibt’s am Ostersonntag sogar ein Gustostück aus der Salzburger Musikgeschichte – auch online.

Von Reinhard Kriechbaum

Es wird nicht schwer fallen, auf der Empore der Pfarrkirche Mülln den vorgeschriebenen Ein-Meter-Mindestabstand einzuhalten. Denn da werden nur zwei Leute am Werk sein, Virgil Hartinger (Tenor) und Michaela Aigner (Orgel). Die beiden lassen unter anderem die Messe in C-Dur von Anton Cajetan Adlgasser hören. Dieses Werk für Orgel und eine Solostimme und wurde möglicherweise sogar für diesen Kirchenraum geschrieben, aber das weiß man nicht ganz genau. Pater Petrus Eder hat diesen Schatz einst in den Archiven von Sankt Peter und dem Stift Nonnberg gehoben und herausgegeben: Die Noten sind 2008 in der Reihe Denkmäler der Musik in Salzburg erschienen.

Anton Cajetan Adlgasser (1729–1777) gehörte zum unmittelbaren Kollegen-Umfeld von Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart. Obwohl Adlgasser nur 48 Jahre alt wurde, war er drei mal verheiratet, und jedes Mal war Leopold Mozart einer der Trauzeugen). Zwei Ehefrauen starben, und von insgesamt zehn Kindern erlebten nur vier das Erwachsenenalter.

Die dramatischen Umstände von Adlgassers Tod am 21. Dezember 1777 beschrieb Leopold in einem Brief an seine Frau und Wolfgang nach Mannheim. Es war, kein Zweifel, ein Schlaganfall:

„[…] Nun kommt eine sehr traurige und ohnvermuthete Begebenheit. Ich gieng in die vesper, weil wir heut montags das Thomasfest in der Kirche halten. h: Adlgasser spielte die Orgel. Das Dixit gieng gut. als er nach dem ersten Psalmen abschlueg, so grief er ganz abscheulich herum und konnte zu keinem Ende kommen. nach dem zweyten Psalmen giengs noch schlechter, so daß er das Pedal am Ende um einen Thon dieffer aushielt, mit der rechten und lincken hand so darein grieff als wenn ein Hund über die Orgl lief, alles glaubte er wäre besoffen. beÿm dritten Psalmen konnte er gar mit den fingern der linken hand nicht mehr spielen, sondern legte immer die zusammgebogne faust auf die Claves, ich konnte ihn lange nicht bereden von der Orgel zu gehen, und den h: Spizeder spielen zu lassen, da ich ihm unterdessen die linke hand herabnahm und h: Spizeder, so gut er konnte, zu dem, was der Adlgasser mit der rechten hand noch spielte, den Bass machte. […]“

Die Musiker-Karriere von Anton Cajetan Adlgasser, zuletzt Hof- und Domorganist unter Fürsterzbischof Sigismund von Schrattenbach: Der gebürtige Bayer trat als 15jähriger in die dritte Klasse (Grammatistae) der an die Salzburger Universität angeschlossenen Lateinschule ein. Gleichzeitig wurde er zusammen mit seinem Bruder Joseph Adlgasser (1732–1762), dem späteren Stiftsorganisten von Laufen, in das fürsterzbischöfliche Kapellhaus aufgenommen. Dort war er Schüler von Johann Ernst Eberlin. Im Juni 1750 Adlgasser von Eberlin zunächst die Stelle als Domorganist, am 11. Dezember 1750 avancierte er zum Hof- und Domorganisten des Fürsterzbischofs Graf Sigismund III. von Schrattenbach. Mit diesem Amt verband sich die Verpflichtung zur Komposition von Werken für den Dom und den Hof. 1760 wurde Adlgasser Klavierlehrer am Kapellhaus und Organist an der Dreifaltigkeitskirche. 1764 gewährte ihm der Fürsterzbischon eine einjährige Studienreise durch Italien, die Adlgasser über Venedig, Padua, Trient, Mantua, Verona, Mailand, Bologna bis Rom führte. Ein Ergebnis dieser Reise ist in Adlgassers einziger Oper La Ninetti zu sehen, zu der Pietro Metastasio den Text lieferte und die am 6. April 1766 ihre Uraufführung in der Residenz in Salzburg erlebte.

Eine außergewöhnliche Ehre: Ab 1770 durfte Adlgasser einem Platz an der Hoftafel einnehmen (Mozart wurde das nie zugestanden). Dieses Speise-Privileg währte freilich nur kurz, es wurde wurde 1772 durch die jährliche Zahlung von 100 Gulden wieder abgelöst. Es war das Jahr, in dem Hieronymus Graf Colloredo Erzbischof wurde. Adlgasser schrieb zu seiner Begrüßung eine Symphonie. Wolfgang Amadeus Mozart war für zwei Jahre Adlgassers Nachfolger als Hoforganist.

Die Ostersonntags-Messe aus der Pfarrkirche Mülln wird ab 9.30 Uhr als Livestream übertragen – www.pfarre-muelln.at
Bilder: dpk-klaba (1); dpk-krie (2)

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014