Musik lockert das Ganze auf

HINTERGRUND / MUSIKUM

30/03/20 „Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen.“ Die Schließung der Schulen hätte beinah auch das Aus für den Instrumental-Unterricht von rund 10.000 Musikschülerinnen und Schüler an den Musikum-Standorten im ganzen Bundesland bedeutet. Schnell wurde Plan B ins Leben gerufen.

Von Natalie Gal

„Der Aufforderung, den Instrumentalunterricht nach Möglichkeit online fortzusetzen, erging an die rund vierhundert Musikum-Lehrerinnen und Lehrer im Land. Digitale Angebote wurden eingerichtet. Die anfängliche Skepsis wich bald einer gewissen Begeisterung für das Neue und einer Neugierde darauf, alternative Unterrichtsformen auszuprobieren.“ Anton Gmachl, Musikum-Direktor des Sprengels Grödig, berichtet am Bespiel „seines“ Standortes über Herausforderungen und Chancen in der Krise.

Bereits vor gut einem Jahr sei die Arbeitsgruppe „Musikum Futurum“ geschaffen worden, „mit dem Ziel, die digitalen Entwicklungen und Strömungen zu beobachten und nach sinnvollen Möglichkeiten zur Unterstützung des analogen Unterrichts zu suchen“. Keiner hätte damals geahnt, so Gmachl, „dass diese Themen bedingt durch die Corona-Krise schon bald derartig aktuell werden würden“.

Wie sieht nun der derzeit praktizierte alternative Musikunterricht aus? „Viele Schülerinnen und Schüler haben zur gewohnten Zeit Unterricht, allerdings per Video-Konferenz. Andere übermitteln ihren Lehrenden Audio- oder Videoaufnahmen und bekommen telefonisch oder mittels anderer technischer Medien Rückmeldung.“

Wichtig sei vor allem, dass die Lehrenden mit den Kindern und Jugendlichen in Kontakt blieben und versuchten, individuell auf Möglichkeiten und Bedürfnisse einzugehen. Das Lösen von Musik- und Notenrätseln könne eine ebenso sinnvolle Beschäftigung darstellen wie das Anhören von Youtube-Clips renommierter Interpreten. „Die besten Ideen - wie das tägliche Privatkonzert mit frisch geübten oder selbstkomponierten Stücken - kommen ohnehin von den Schülerinnen und Schülern selbst.“ Die Nachbarn ließen sich schon mal gerne beglücken, „wenn um Punkt 18 Altblockflöte und Klavier im Duett durch das geöffnete Fenster schallen“.

Auf dem „Corona BLOG“ des Musikum mehren sich stündlich Ideen und Anregungen. Dabei zeige sich, so Gmachl, was man plötzlich an neuen Möglichkeiten wahrnimmt, wenn das „Altgewohnte“ nicht mehr praktikabel ist: „Durch das Engagement der Instrumentallehrerinnen und -lehrer und dank der Nutzung moderner Medien und Kommunikationskanäle findet auch in dieser für uns alle fordernden Zeit ein sehr guter Unterricht statt“, lautet etwa ein Eltern-Kommentar.

Zum Sprengel des Musikum Grödig zählen neben Grödig auch Anif, Elsbethen, Großgmain und Wals-Siezenheim. 1300 Schülerinnen und Schüler werden derzeit von vierzig Lehrenden betreut. In der zweiten Woche der Corona bedingten Einschränkungen nähmen viele Lehrende als positiv wahr, berichtet Gmachl, dass die Unterrichtseinheiten zwar kürzer ausfallen, dafür aber öfter stattfinden können. Dadurch, dass die Lehrenden via Video-Unterricht sehen, wo und wie das Kind zu Hause übt, komme auch mal zutage, dass da ein Klavier seit Jahren nicht mehr gestimmt worden oder dort der Sessel zum Celloüben ungeeignet ist.

Ich finde es manchmal lustig, wenn man zuhause Unterricht hat, aber manchmal auch traurig, weil man sich nicht persönlich sieht“, teilt eine Schülerin ihre Empfindungen im Internet. „Online-Unterricht ist sicher nicht dasselbe wie Live-Unterricht, aber es ist eine sinnvolle Alternative in Zeiten wie diesen“, sind sich die Verantwortlichen sicher.

„Eltern verbringen nun mehr Zeit mit den Kindern und dürfen – oder müssen – sich intensiv mit ihnen beschäftigen“, sagt eine Mutter. „Viele Eltern bekommen durch Ganztagsarbeit oft nicht mehr richtig mit, wie die Kinder sich schulisches Wissen aneignen oder wie der Übealltag beim Instrument-Erlernen aussieht.“ Die Einteilung und Planung aller Aufgaben von Eltern und Kindern sei „momentan sehr essenziel , um den Überblick – und die Nerven – nicht zu verlieren“, spricht diese Mutter vermutlich vielen aus der Seele. „Bei uns lockert die Musik das Ganze auf. Sei es, dass meine Tochter auf der Geige von mir mit der Gitarre begleitet werden möchte, oder dass wir bei ‚Pippi Langstrumpf‘ mitsingen...“

Tatsächlich bekämen Eltern nun vermehrt mit, welche Prozesse bei den Kindern beim Üben ablaufen und was das Musizieren bei ihnen bewirkt, bestätigt Anton Gmachl, der seinen Unterricht selber via Skype abhält. „Durch die Flut an schulischen Aufgaben ist der Online-Unterricht nicht immer einfach. Der Spaß an der Musik und die Gaudi beim Unterricht sind vorranging.“

Bilder: Musikum / privat (1); Stefan Prommegger (1)