Ganz Ohr aufeinander

CAMERATA / JAHRESZEITEN DES SÜDENS

18/11/19 Die vier Jahreszeiten, jene von Antonio Vivaldi und die von Astor Pazzolla – ist das nicht seit Jahren (um nicht zu sagen: seit urdenklichen Zeiten) die Domäne schlechthin der Philharmonie Salzburg? Im jüngsten Abo-Doppelkonzert hat's die Camerata auch programmiert, unter dem Motto Die Jahreszeiten des Südens.

Von Reinhard Kriechbaum

Als Plagiat wird das niemand empfunden haben, denn erstens spielen die Camerata und die Philharmonie Salzburg denn doch in unterschiedlichen musikalischen Ligen. Und zweitens ist es ja so, dass die Salzburger Orchester in ihren Konzertreihen jeweils weitgehend ihren eigenen Zuhörerkreis bedienen. Die Schnittmenge zwischen diesen Publikümern dürfte gerade im Fall Camerata/Philharmonie Salzburg gegen null streben.

In diesem Konzert hatten gleich zwei Geiger das Sagen: Als eigentliche Solistin die junge Münchnerin Arabella Steinbacher, und am Konzertmeisterpult der Franzose Guillaume Chilemme. Nicht minder wichtig freilich sind in Vivaldis Vier Jahreszeiten die Stimmführer der anderen Streichergruppen und diese selbst im raschen Reagieren als Kollektiv. Da bewegte sich die Camerata auf ihrem ureigensten Terrain, wirkte aufgeweckt bei jenem kammermusikalischen, eben putzmunteren Musizieren, für das man dieses Orchester so sehr schätzt. Und so war es denn – nicht nur bei Vivaldi – das pure Vergnügen, den mit Brillanz in den Fingern und geradezu überschäumender musikantischer Lust geführten zwie- und gruppengesprächen zu folgen.

Ob hinter diesem Musizieren ein im Grunde eher konventioneller gestalterischer Zugang stand oder doch eine gewisse historisch-aufführungspraktische Informiertheit, das war eine völlig zweitrangige Frage. Am ehesten eine Kombination, das beste von beidem. Im Fall des Vivaldi'schen Winters jedenfalls schien der Schneeeinbruch in den Salzburger Gebirgsgauen vorweggenommen, und der sommerliche Gewittersturm kam ebenso ungebremst daher wie der winterliche Schirocco „und alle übrigen Winde“, wie es in dert Partitur so schön heißt.

Technische Grenzen scheint Arabella Steinbacher nicht zu kennen. Den markant-süßlichen Ton ihrer Stradivari aus dem Jahr 1716 – also neun jahre älter als Vivaldis Komposition – verliert sie auch in den hinterhältigsten Läufen nicht. Aber die Geigen-Süße so recht auszukosten, dafür halten natürlich die Cuatro Estaciones Porteñas von Astor Piazzolla (in der Fassung für Violine und Streicher von Peter von Wienhardt) das rechte Verführungspotential bereit. Jahreszeiten des Südens: Wenn bei uns und in Venedig Frühling ist, dann herbstelt es in Buenos Aires, und genau so so waren diese Stücke auch zueinander in der Programmfolge positioniert: Zur klirrenden Winterkälte in der Lagune also der glühende Sommer aus der Feder von Piazzolla...

Bild: www.arabella-steinbacher.com / Peter Rigaud