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Lichte Höhen

BACHCHOR SALZBURG / CHORAGE # 2

17/06/19 Hätte der Wettergott ein Einsehen gehabt, wäre der erste, der „Natur“ gewidmete Teil im Hof des Neugebäudes der Residenz vonstatten gegangen. So allerdings hatten „Wald, Wind und Wellen“ Gewitter und Starkregen zu weichen. Alois Glaßner und der Bachchor sangen sich beim „Wandelkonzert“ durch die Musikgeschichte von Monteverdi bis Mendelssohn, von den Haydn-Brüdern bis Mozart, von Allegri bis Tallis.

Von Horst Reischenböck

Man übersiedelte also von der „Natur“ in den Kuenburgsaal des Salzburg Museums und hatte damit immerhin Gelegenheit zum Vorbeispazieren an Carl Spitzwegs Sonntagspaziergang und an Michael Haydns Hammerflügel.

Welch ein Beginn:Zwei polyphone Madrigale Claudio Monteverdis, basierend auf Texten berühmter Poeten: das von fundamentalen Bässen ins Licht aufstrebende Ecco mormorar l‘onde auf Torquato Tasso und der ebenso fordernde Zefiro torna auf Francesco Petrarca als Rückkehr ins Dunkel. Felix Mendelssohn Bartholdys Sechs Lieder im Freien zu singen op. 59 für gemischten Chor wirkten danach logischerweise weit einfacher. Romantisch fußen sie auf Gedichte Helmine von Chezys, Ludwig Uhland, sowie je zweimal Johann Wolfgang von Goethe und Joseph von Eichendorff - mit dessen Jagdlied als mitreißend zündendem Schlusspunkt.

Nahtlos ging‘s danach ins Thema „Mensch“ über mit einer raren Abfolge von Joseph Haydns Betrachtungen Der Augenblick, Die Beredsamkeit, Alles hat seine Zeit und, unüberhörbar ironisch, Die Harmonie in der Ehe Hob, VVXc: 1, 4, 3 und. 2 begleitet Alexander Voronov am Hammerflügel. Dazwischen eingefügt die von Kollege Wolfgang Amadé Mozart Freund Gottfried von Jacquin komponierten Notturni Ecco quel fiero istante und Mi lagnerò tacende KV 436 und 437 sowie die Canzonette Piu non si trovano KV 549. Sie boten jeweils drei Solisten aus dem Bachchor Gelegenheit, ihr Können zu demonstrieren. Assistiert haben Gabór Lieli und Walter Krenn, Klarinette sowie Fagottist Christoph Hipper, die sich zur Auflockerung zwischendurch auch rein instrumental im Larghetto aus dem Divertimento B-Dur KV 439b verströmen durften.

Dem „Erfinder“ des Männergesangswesens, Michael Haydn, zollte der Rundgesang MH 646 Tribut. Seine Hymne an Gott und Aus dem Dankliede zu Gott von Bruder Joseph forderten dann auf, zum dritten Teil in den Dom hinüber zu wandeln. Dort galt es, Gregorio Alleris berühmtes im Vatikan streng gehütetes Miserere als ersten Schatz zu heben. Der 14jährige Mozart schrieb‘s nach Hören in der Sixtinischen Kapelle aus dem Gedächtnis nieder und wurde deswegen von Papst Clemens XIV. geadelt. (Angesichts der vielen Wiederholungen ist die Leistung für ein musikalisches Genie aber so überwältigend auch wieder nicht, Anm. Red.) Alois Glaßner postierte den Hauptchor vor dem Hochaltar, eine kleinere Gruppe vor dem Sakramentsaltar und ließ die namentlich nicht genannt engelsgleiche Sopranistin, deren Part in Rom ursprünglich ein Kastrat sang, von der linken Orgelempore darüber in höchste Höhen aufsteigen. Faszinierend, überwältigend.

Dennoch wurde diese Ereignis getoppt – und zwar mit Thomas Tallis berühmtem Spem in alium, mittlerweile längst ein Aushängeschild des Bachchors und seines engagierten Leiters: Sie haben das Stück bereits 26 Mal gesungen. Geschrieben hat Tallis das monumentale Chorstück um Vorbild Alessandro Striggio zu übertrumpfen (von dessen Sohn übrigens das Libretto zu Monteverdis Orfeo stammt).

Erklangen Tallis‘ vierzig Stimmen bei der Uraufführung in Arundel Castle mutmaßlich mit Mitwirkung von Instrumenten, so platzierte Glaßner hier a capella acht Gruppen zu jeweils fünf Vokalisten rund unter die Dom-Kuppel und hieß diese  entgegen dem Uhrzeigersinn und wieder zurück einsetzen. Schlicht großartig! Zum Meditieren leider aber durch hereindröhnende Pop-Musik vom Kapitelplatz empfindlich beeinträchtigt. Aber die Stadt muss ja „belebt“ werden ...  

Bild: dpk-klaba

 

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