Liebe in Variationen

STIFTUNG MOZARTEUM / KONCZ ENSEMBLE      

05/06/19 Sind die lokalen Kammermusikfreunde zu Saisonende müde? Schönbergs Name allein konnte wohl nicht so abschreckend gewesen sein - zumal ihn das Koncz Ensemble Wien mit Strauss und Brahms abmilderte - und vor kaum ausverkauften Parkett ein grandioses Stimmungsbild zum ewigen Thema Liebe entwarf...

Von Horst Reischenböck

Normalerweise pflegen Streichquartett-Formationen ihre Besetzung durch Gäste zu erweitern, um auch größere Kammermusik-Werke ausführen zu können. Das Koncz Ensemble Wien hingegen hat sich von vornherein der Gattung Streichsextett verschrieben und gastierte nun nach Wien mit demselben Programm auch in Salzburg. Geiger Christoph Koncz aus Reihen der Wiener Philharmoniker hatte mit Benjamin Marquise Gilmore den Konzertmeister von Londons Philharmonia Orchestra neben sich. Dazu kamen Gerhard Marschner und die am Mozarteum lehrende Lily Francis an der Viola sowie die beiden Cellisten Sebastian Bru und David Pennetzdorfer.

Zum Einstieg in ein gewissermaßen retrospektiv orientiertes Programm erklang die Einleitung zu Richard Strauss‘ Capriccio op. 85 (übrigens die letzte Opern-Uraufführung, die der Komponist erleben durfte). Seiner Aussage „...trägt die Sprache schon Gesang in sich“ entspricht durchaus auch dem Untertitel Konversationsstück mit Musik und auch dem intimen Gespräch von sechs Instrumenten: Dieses Gespräch hebt zart an mit einer Liebesbotschaft. Zwischendrin aber kommt es aber zum nicht friktionsfrei ablaufenden Disput um die Vorherrschaft von Wort oder Ton.

Nachdem sich die Gäste bereits darin hingebungsvoll verströmt hatten, galt ihr großer Einsatz Arnold Schönbergs berühmten gut vierzig Jahre zuvor geschaffenem Streichsextett Verklärte Nacht op. 4. Das kann heutzutage als durchaus absolute Musik nachvollzogen werden, auch ohne Kenntnis der auslösend gewesenen literarischen Vorlage um zwei Liebende. Vorausgesetzt, solche Könner wie hier das Koncz Ensemble entschlüsseln grandios den innewohnend gestalterisch verbindenden Zusammenhalt. Von zarten Violintönen über selten so eindrucksvoll ins Bewusstsein gerückte Assoziationen an Richard Wagner zu nachdrücklich gezupften Bratschen-Pizzikati und dann letztendlich in stimmig ausgekostete Flageolett-Dunkelheit hinein.

Für Johannes Brahms war Herzensbindung offenbar ein Horror: „Ich liebe Dich! … Aber Fesseln tragen kann ich nicht“, schrieb er der Göttinger Professorentochter Agatha von Siebold, die ihn geheiratet hätte. In Brahms‘ einziger in Deutschland erhalten gebliebener Bleibe in Lichtenthal bei Baden-Baden entsagte er ihr dann in Gedanken und auch kompositorisch durch sein Streichsextett Nr. 2 G-Dur op. 36. Ihm widmeten sich die sechs Ausführenden ebenso leidenschaftlich. Es ist vom Kopfsatz an, in dem  Geige und erste Bratsche bei genauem Hinhören dreimal den Vornamen des Mädchens anklingen lassen, bis ins Finale hinein ein vornehmlich ernstes Werk.

Brahms billigte selbst dem Scherzo keine positive Stimmung zu, von den  überaus nachdenklichen Variationen an dritter Stelle ganz zu schweigen. Das Koncz Ensemble Wien bot eine in jedem Moment packende Interpretation und fügte daran noch genauso mitreißend den Presto-Furiant aus Antonín Dvořáks A-Dur-Sextett op. 48.

Bild: dpk-krie