Lechts und Rinks soll man nicht velwechsern

HINTERGRUND / OPEN MIND FESTIVAL 2018

30/10/18 Ist die Mitte rechter ist als die Rechte? Ist die Rechte nicht ohnehin längst die neue Mitte? Gibt es links und rechts außer beim Stricken und im Straßenverkehr überhaupt noch? Und wohin sind die Linken verschwunden? Ein paar Wohlmeinende fragen – von 9. bis 17. November beim Open Mind Festival – What’s left. What’s right.

Von Heidemarie Klabacher

„What’s left“ heißt natürlich auch „Was ist übrig geblieben“. Das passt auch nicht schlecht. Denn übrig geblieben sein wird demnächst nicht mehr viel – von Sozialstaat, Bildungschancen jenseits der Armutsgefährdung für alle Kinder, von offenen Grenzen oder von gar der Hoffung auf ein größeres und vereinteres Europa…

Nun, der Hut brennt. Und das wissen alle. Auch Theresa Seraphin und ARGE-Leiter Sebastian Linz, die gemeinsam das Open Mind Festival – ein Kind von Markus Grüner-Musil – unter das Thema What’s left. What's right gestellt haben. Die website ist seit Wochen online, was als erstes aufgefallen ist, ist die Plakatserie im Stil des Programmfolders mit ebenso klugen wie amüsanten Slogans: „Ränder in die Mitte“ ist eindeutig der Favorit. Auch nicht schlecht, halt ein wenig unheimlich: „Das Volk wird ausgerottet sich zusammen“. Wer wohl diesmal ausgerottet werden wird? Der Muslime sind einfach sehr viele heutzutage, aber Größenwahn war noch nie ein Problem und mit den Juden hat man es fast schon einmal geschafft…

Jedenfalls sind die Slogans, wenn auch einige recht simple dabei sind, alle zusammen inhaltlich wichtig. Vor allem aber sind einige sprachlich – ja sprachkünstlerisch – kreativ und boshaft und frech – und damit weit weg von jener Larmoyanz, die gutgemeinten Veranstaltungen wohlmeinender Menschen oft eignet.

Ob andere Menschen als ohnehin Wohlmeinende eine kritisch-intellektuelle Veranstaltung wie das Open Mind Festival überhaupt besuchen? Wäre mal interessant zu erfahren. In der Aktion „Österreich spricht“ hat Der Standard in den letzten Wochen einander jeweils fremde Menschen zu Dialogpaaren zusammengespannt, die in politischen, sozialen und sonstigen Fragen keineswegs einer Meinung waren. Oft haben die Gesprächspartner sich friedlich darauf einigen können, sich nicht einig zu sein. Solcher Austausch ist selten. Leben nicht sowohl die „Rechten“ als auch die „Linken“ vor allem in ihrer jeweiligen Des-Informations-Blase und treffen einander im schlimmsten Fall nur zum Köpfe einschlagen auf irgendwelchen Demos?

Eine der spannendsten – weil sich weit über die Räume der ARGEkultur hinaus öffnenden – Veranstaltungen beim diesjährigen Open Mind Festival findet bei freiem Eintritt statt und passt gut zum Plakatslogan „The European Republic Is Under Construction“.

„Am 10. November wird um 16 Uhr in vielen europäischen Theatern und Kultureinrichtungen – von Portugal bis Polen, von Schottland bis Zypern – die Europäische Republik ausgerufen. Ob am Berliner Ensemble, am Thalia Theater Hamburg, an der Stadsschouwburg Amsterdam, am NT Gent, am Burgtheater oder in einer Bibliothek auf Lampedusa - überall wird das Manifest des European Balcony Projects initiiert von der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und dem Autor Robert Menasse, verlesen. Die ARGEkultur ist ebenfalls mit dabei“, heißt es.

Nach Meinung der Verfasserinnen des Manifests ist „das europäische Projekt der Gründergeneration längst gescheitert und durch wirtschaftliche Interessen verraten“. Gefordert wird etwa „die Auflösung der Nationalstaaten für eine Stärkung der Städte und Regionen“. Man wolle damit keineswegs zur „Revolution“ aufrufen, man verstehe das Projekt „dezidiert als Kunstaktion“ und nicht als tatsächlichen Moment „politischer Revolte“. Eröffnet werden soll vielmehr ein Möglichkeitsraum. „Von Elfriede Jelinek bis Étienne Balibar, Navid Kermani bis Kathrin Röggla, Srecko Horvat bis Milo Rau haben sich eine Vielzahl europäischer Intellektueller dieser Idee des offenen Dialogs angeschlossen.“ Nach der Verlesung des Manifests durch Mitglieder von Volxtheaterwerkstatt und Theater Ecce will man „gemeinsam mit unterschiedlichen Salzburger Initiativen und Bürgerinnen“ verschiedene „Haltungen zu Europa“ sichtbar machen.

„Zuschauer*innenfrühstück“ und Podiumsdiskussion eröffnen das Festival am 9. November. Geben wird es Performances, Vorträge und Diskussionen (Was sind eigentlich „Diskursformate“? Wahrscheinlich gehören „Partizipatorische Gesprächsformate“ wie jene Veranstaltung von und mit Studierenden des Mozarteums dazu). White on White#Fuckme! (We Didn't make it) heißt ein wenig umständlich das Gastspiel von Studio Я/Maxim Gorki Theater Berlin. Versuch über ein neues Turnen ist ein Workshop von Hauptaktion in Kooperation mit Akzente und der Abteilung Musik- und Tanzwissenschaft der Paris Lodron Universität. Gehen soll es um die Verbindung von Körper, Gemeinschaft und Nation - die ja auch alles andere als unbelastet ist, wenn man in die Geschichte schaut. Wie heißt es auf einem der Plakatslogans so schön: „Show a past, decipher a future“.

Open Mind Festival What’s left. What’s right von 9. bis 17. November – www.argekultur.at
Bilder: ARGEkultur
Der Titel ist frei nach Ernst Jandl