Ton-Sprache, Klangrede und Gegensätze

ASPEKTE

31/05/10 Von Titeln, Thesen, Temperamenten der Musikschaffenden und ihre Relevanz für den Hörer: Zu den beiden Konzerten der Aspekte am Freitag (28.5.) in der ARGE.

Von Erhard Petzel

Versucht man bei zeitgenössischer Musik vom Interesse des fachkundigen Publikums zu abstrahieren und die Breitentauglichkeit musikalischen Geschehens zu bedenken, dann boten die beiden Konzerte einen exemplarisch stimmigen Ansatz. Die Titel - „Sand auf meinen Schuhen“ und „Gegensätze“ - bedeuten zwar alles und nichts. Aber im Publikum findet intensive Auseinandersetzung mit den Informationen aus dem Programmheft und den Eindrücken von der Bühne statt.
Vor allem das Konzert um 18 Uhr bot Musik, deren Gestus jedem an der Romantik orientierten Hörer nahe gehen kann: Valentin Silvestrovs "Postludium Nr. 3 für Violoncello und Klavier" aus 1981/82 geht als „Romanze“ in jedem Programm mit Musik des 19. Jahrhundert durch. Die Kantilene dieser Cello-Miniatur, wunderbar in Klangfarbe gemalt von Detlef Mielke, schwebt über einem gleichförmig bewegten Intervalluntergrund des Klaviers, einfühlsam und agogisch mit  freiem Atem von Alexander Vavtar hingesetzt. Ein fahler Klang vor dem sphärisch verwehenden Schluss bringt die Trübung, die unendliche Schönheit erst entfaltet.

Auch Sofia Gubaidulinas Präludien für Violoncello solo I-V erwecken Vertrauen durch Gewohntes: fünf im angenehmen Kontrast miteinander kommunizierende Bewegungen erinnern an reizvolle Salon-Etüden. Das zweite Konzert wurde dann durch Gubaidulinas "Silenzio, fünf Stücke für Bajan, Violine und Violoncello" beschlossen.

"Fünf Versuche nach Italo Calvino" von Gerald Resch eröffneten das erste Konzert: zwei Sätze, griffige Rhythmen, lyrisches Zentrum mit Zitaten, Flageoletts und ostinate Figuren, zum Abschluss Wieder-Anklang der Anfangsdynamik: alles zusammen kurz und prägnant. Lutoslawskis "Subito für Violine und Klavier" (1992) erinnert an Ungarische Rhapsodien, wenn auch stärker formalisiert.

Rhapsodisch auch Gerhard Wimbergers "Quadrolog für Klaviertrio und Vibraphon" -  Uraufführung, Auftragswerk und das umfangreichste Stück in diesem Konzert. Kontrast- und einfallsreich etablieren sich die Instrumente in verschiedenen Funktionen und Konstellationen. Imitatorischen Ideen stehen Klangtableaus und percussive Elemente in bester kammermusikalischer Manier entgegen und bauen sich in wechselnder Dynamik auf und um. Eva Maria Steinschaden-Vavtar auf der Violine und Rizumu Sugishita am Vibraphon komplettierten das Ensemble in oft oszillierenden Klängen.

Wenn ab 20 Uhr der Charakter der Musik auf einmal als vergleichsweise spröd empfunden werden konnte, obwohl das oenm seine Brillanz in geschmeidiges Musizieren umsetzt, liegt das wohl im Verhältnis zur Zeit, in der sich Bewegungen entfalten.

In "Down to earth" von Johannes Kretz vermengen sich Flöte und Viola über Harfentönen in einer monadenhaften Gleichförmigkeit, die in ihrer dramatischen Unaufgeregtheit an J.M. Hauer erinnert. Auch wenn sich Bewegung und Konstellation im Lauf des Stückes verändern, bleibt der Eindruck von schönen, in sich permutierenden Klängen, die sich durch die Zeit quetschen.

Ebenfalls zerdehnt im Zeitempfinden: Elena Mendozas „Nebelsplitter“ für Streichtrio und Klavier. Besonders spannend hier die Entwicklung der Klanglandschaft aus Ober-, Schleif- und präparierten Tönen am Klavier (Nora Skuta) in virtuoser Spannung mit herkömmlich Angeschlagenem. Atemberaubende Klangräume in drei Sätzen mit verschiedenen Ideen, die geschmacklich kongenial ineinander verschränkt sind.

Über weite Strecken auf dem Fundament des Basses pulsierend kam dann Rebecca Saunders „Quartet for clarinet, accordion, piano and double bass“ daher: ein spannendes, interaktives Spiel der Klänge - obgleich Mann/Frau/Kind von der Straße wohl kaum zu vermitteln.