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Zweispurig statt eingängig

ASPEKTE / ORLACS HÄNDE

30/04/18 Ein erwarteter und nicht ganz erreichter Höhepunkt des am Sonntag (29.4.) zu Ende gegangenen Aspekte Festivals war die Uraufführung von Johannes Kalitzkes Musik zum Stummfilm „Orlacs Hände“ von Robert Wiene (1873 bis 1938) aus dem Jahr 1924.

Von Heidemarie Klabacher

Ein Pianist verliert bei einem – mit frühem Voyeur-Blick ausführlich dargestellten – Zugunglück beide Hände. Ihm werden die Hände eines am nämlichen Tage hingerichteten Raubmörders angenäht. Von diesen fremden Händen gehe, so bildet sich der Künstler alsbald ein, der Zwang aus, weiter zu morden... „Orlacs Hände“ ist ein überaus spannendes, zunächst psychedelisch-psychologisch angehauchtes Künstler-Drama mit unterschwelligem Vater-Sohn-Konflikt, das erst gegen Ende seiner gut hundert Minuten Spieldauer einen erstaunlichen Twist erfährt in Richtung eines handfesten, ganz und gar diesseitigen Krimis. Ein vielschichtiges Meisterwerk in Dramaturgie, Psychologie, Ausstattung, dessen Entstehungsjahr 1924 man sich vor Augen halten muss. Dann darf auch mal ein Verwundeter rasch seinen Kopfverband zurecht rücken, bevor er sich auf die Bahre sinken lässt.

Parallel zum Film, in den technisch kaum eingegriffen und der gegenüber dem Original nur in der Abspielzeit ein wenig „beschleunigt“ wurde, lief also die Musik von Johannes Kalitzke. Es spielte das Stuttgarter Kammerorchester, das den Auftrag zu dieser Filmmusik vergeben hatte, unter der Leitung des Komponisten. Alles auf höchster Ebene und musikalisch gewiss nicht zu toppen. Kalitzke jedenfalls habe ihm die Uraufführung im Rahmen der Aspekte angeboten, erzählte Ludwig Nussbichler; wie auch, dass arteTV den Film produziere und dieser dann weltweit gesehen werden könne.

Tatsächlich wird es sinnvoll sein, sich das Ganze noch einmal „reinzuziehen“. Denn bei der Uraufführung am Samstag (28.4.) im Republic wollte sich eine innige Verschmelzung zwischen Film und Musik nur in ganz wenigen emotionsgeladenen Momenten einstellen. Das fiel dann deswegen auf, weil plötzlich kein – untadelig nach den Regeln der Kunst zeitgenössischen Komponierens erstellter - Sound mehr gegen die Story gebürstet bestenfalls nicht störte.

Das war etwa der Fall, wenn das Ehepaar Orlac am Krankenbett einmal die Hände ineinander legt. Sonst sehnte man sich, je länger der Film nicht zu Ende gehen wollte, nach einem altmodischen Kino-Pianisten. Sehnte sich noch viel mehr nach dem virtuosen Organisten, der dem Republic ziemlich genau gegenüber am anderen Salzachufer im Großen Saal der Stiftung Mozarteum seit Jahren Stummfilme von Fritz Lang bis Lubitsch schlicht und einfach virtuos „untermalt“. Keine der „Improvisationen“ von Dennis James hebt Anspruch darauf, mehr als „Unterhaltung“ sein zu wollen. Er dient einfach dem Medium Film. Und wie perfekt ist die Symbiose.

Im Falle von „Orlacs Hände“ schien der Film der Musik genauso im Wege zu stehen, wie die Musik dem Film. Haushoch gewonnen hat jedenfalls der Film. Die Musik wird man sich noch einmal anhören, wenn ARTE dann soweit ist. Versprochen.

Bilder: Aspekte / Kirchner

 

 

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