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Von der eigenwilligen slawischen Seele

KULTURVEREINIGUNG / SWR SYMPHONIEORCHESTER / SHOKHAKIMOV

26/02/18 Dirigierende Rising Stars reichen derzeit in Salzburg einander die Hände. Freitag (23. 2.) leitete Aziz Shokhakimov, 2016 Gewinner des Young Conductors Award der Festspiele, das Gastspiel des SWR Orchesters. Mit im Boot der Cellist  Mischa Maisky.

Von Horst Reischenböck

Wolfgang Stähr zufolge gibt es „eine Regel, die ist so einfach wie paradox. Wenn es den Menschen gut geht, das Land prosperiert, materieller Überfluss herrscht, dann werden Orchester abgeschafft oder zumindest fusioniert ...“ Das Symphonieorchester des Südwestdeutschen Rundfunks entstand vor nicht einmal anderthalb Jahren aus der Zusammenlegung vom Radio-Sinfonieorchester Stuttgart mit dem Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, die Michael Gielen und Sir Roger Norrington zu ihren Chefs zählten.

Ein neu formierter Klangkörper also, aus exzellenten Könnern zusammengeschweißt, wie ihr Auftritt im Großen Festspielhaus nachdrücklich bewies. Aziz Shokhakimov steht seit 2006 dem Nationalen Symphonieorchester Usbekistan vor, reüssiert aber mittlerweile international in Opernhäusern. Mit dem SWR Symphonieorchester agierte er auf einer Wellenlänge, als es vorerst darum ging, den sinfonischen Anteil in Antonin Dvořáks h-Moll-Cellokonzert op.104 nachdrücklich zu formulieren. Da mochten in ihm Erinnerungen wach geworden sein, hatte doch Shokhakimov dasselbe Werk auch mit dem ORF Symphonieorchester anlässlich seines Preisträgerkonzerts im Vorjahr in der Felsenreitschule gestaltet.

Diesmal galt die Zusammenarbeit Miša Maiskis. So die original lettische Schreibweise des in Riga geborenen Vellisten, der vor 25 Jahren das erste Mal in Salzburg bei den Festspielen gastierte. Mischa Maisky, der vielleicht letzte große romantische Virtuose auf dem Violoncello, verlieh mit seinem Montagna-Instrument dem in allen drei Sätzen großbögig angelegten Solopart mitunter doch recht eigenmächtige Züge. Forsch im Allegro zu Beginn, zart versponnen das nachfolgende Adagio ma non troppo mit dem Zitat des Lieblingslieds von Dvořáks Schwägerin Josefina Kaunitzová „Lasst mich allein in meinen Träumen gehn“, mit dem auch das Solo vor dem letzten Tutti im Finale verebbt.

Die Maisky am Herzen liegende vokale Komponente unterstrich er danach noch prachtvoll „ausgesungen“ mit der Arie des Lenski „Wohin seid ihr entschwunden“ aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“. Bejubelter Beweis, wie ein Cello der menschlichen Stimme nicht bloß nahe kommt, sie vielmehr fast übertrumpft.

Weil seine Schwester nach Israel ausgewandert war, wurde Maisky einst von den Machthabern der UdSSR zwei Jahre im Gefängnis eingesperrt. Ein Schicksal, das Dmitri Schostakowitsch zum Glück erspart blieb. Obwohl er vom Geniestreich seiner 1. Sinfonie in f-Moll op. 10 an, weil er mit ihr spontan auch im Ausland bekannt wurde, auch sofort in den Fokus der Nomenklatura geriet. Der Beweis des Könnens des erst 19jährigen zum Abschluss seines Studiums wurde sofort begeistert angenommen, widersprach aber offiziellen Ansichten einer sich volksnah zu gebärdenden Musik.

Ihre Sarkasmen schlichen sich nach der Pause mit den phänomenalen Holzbläsern des WDR Symphonieorchester turbulent ins Ohr. Perfekt kammermusikalisch, bis hin zu scharf gezackten Trompetenausbrüchen. Auf grummelnden Einstieg der Kontrabässe ins skurrile Scherzo folgte jenes Klavierthema, das Schostakowitsch oft auch selbst spielte. Der scharfe Kontrast dazu, mit dem von den erstklassigen Posaunen angestimmten Trauermarsch von Gustav Mahlerscher Intensität, mündete nahtlos in den knalligen Tokkata-Schluss. Angeleitet durch Aziz Shokhakimovs intensiv animierende Stabführung ein furioser Ausklang, so recht dazu angetan stürmischen Beifall zu provozieren.

Bilder: intermusica.co.uk (1); Mischa Blank (1)

 

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