Wie man auf der Nonnengeige trompetet

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / BAROCKNACHT

20/05/10 Im Museum hat ein solches Ding jeder Musikfreund schon mal bewundert – aber wie die „Tromba marina“ nun wirklich klingt, die man auch „Nonnengeige“ oder „Marientrompete“ genannt hat? Bei der Barocknacht im Solitär der Universität Mozarteum hat man's einmal hören können.

Von Reinhard Kriechbaum

„Ein Mischmasch oder Cassatio“ von einem Herrn „Nescio“, einem Unbekannten also. So ein Titel macht neugierig, und noch neugieriger macht die Besetzung: Streicher, Fagott, Oboen, eine „Tromba marina“ und dazu noch Kuckuckspfeife und Ratsche. Das klingt in etwa so wie die „Kindersymphonie“ und die „Musikalischer Schlittenfahrt“, die Entstehung des heiteren Stücks (1750) weist in dieselbe Richtung: „U-Musik“ knapp vor der Mozart-Ära.

Thilo Hirsch ist ein Spezialist für die „Tromba marina“, dieses beinah Kontrabass-lange Streichinstrument mit einer einzigen Saite. Man spielt drauf ausschließlich Flageolett-Töne, aber weil der Steg ein wenig einseitig ist und bei schwingender Saite am Resonanzboden klappert, gibt das ein schnarrendes Geräusch. Ja tatsächlich: Man versteht, wenn man diese hellen und durchdringenden Töne hört tatsächlich, dass dieses archaische Streichinstrument unter anderem zum Namen „Marientrompete“ gekommen ist. Der Klang ist einer schmetternden Naturtrompete manchmal wirklich täuschend ähnlich.

Locker nimmt es die Tromba marina in der Lautstärke mit Holzblasinstrumenten auf, zumal Thilo Hirsch, der mit Studenten am Institut für Alte Musik einschlägige Kammermusik erarbeitet hat, eine recht „sophisticated“ anmutende Variante des Instruments spielt. Seine Tromba marina mag mehr Volumen haben als schlichter gezimmerte historische Vorbilder.

„Wildes Wetter“ war ein - lockeres - Motto für die Barocknacht am Mittwoch (19.5.). Sie hat diesmal leider nicht ganz so viele Musikfreunde angelockt wie in den vergangenen drei Jahren. Schön trotzdem, wenn die Lehrkräfte für Alte Musik gemeinsam mobil machen. Klar: Die prominente Blockflötistin Dorothée Oberlinger oder der Cembalist Michael Eberth haben immer Schülerinnen und Schüler, die sich hören lassen können, und auch sonst ist man ja auf Lehrerseite durchaus namhaft besetzt. Heuer aber schien die Pallette noch vielfältiger. Man hat zum Beispiel in einem Block des vielstündigen Konzerts mitbekommen, dass unterdessen auch die Gesangsstudenten einschlägig gefordert sind. Der Tenor Otto Rastbichler hat als Primus inter pares mit einer fürwahr polyglotten Studentenschar allerlei Madrigale einstudiert – und es ist tatsächlich etwas Homogenes, stilistisch Einwandfreies draus geworden. Am Institut für Alte Musik ist Aufführungspraxis, so erzählte Rastbichler dem DrehPunktKultur in der Pause, eben ein Pflichtfach - auch für Sängerinnen und Sänger, die sich in diesem Bereich profilieren wollen. Wie sich die Zeiten ändern: Vor einem Vierteljahrhundert haben sich manche Gesangslehrer an den Musikuniversitäten noch vehement dagegen gewehrt, dass ihre Schüler in Ensembles singen.

Michael Malkiewicz forscht in Sachen Barocktanz und leitet Studentinnen und Studenten zu entsprechenden Schritten an. Auf der Geige hat er sie - ganz in der Art eines Tanzmeisters - begleitet. Auch das war ein neuer Aspekt in der „Barocknacht“.

Bei fünf Konzertstunden (die der DrehPunktKultur-Rezensent leider nicht komplett „absitzen“ konnte) gab es Virtuoses und Rares (Fux, Caldara), und auch sehr Unterhaltsames: zu später Stunde beispielsweise „Die vier Jahreszeiten im Klimawandel“, global erd-erwärmt von Heidelore Schauer am Tenorhackbrett und Wolfgang Brunner am Hammerflügel. Wenn's auf 23 Uhr zugeht, ist man für einen humoristischen Barock-Touch schon dankbar.