Totenklage - überzeitlich und bewegend

WIENER SAAL / TRIO WIDMANN

05/05/10 International renommierte, auch bei den Festspielen längst etablierte Künstler wie Carolin Widmann ließen einmal eitel Wonne im Gesicht des fürs  Programm Verantwortlichen der Stiftung Mozarteum aufscheinen: Der Beweis, dass es in Salzburg ein auch zahlenmäßiges Potenzial an Kammermusikfans gibt, glückte am Dienstag (4.5.) im Wiener Saal erneut.

Von Horst Reischenböck

Es ist selten, dass eine zusätzliche Reihe an Sitzen in den Wiener Saal platziert werden muss, um der gesteigerten Nachfrage an Karten gerecht zu werden. Diesmal war es der Fall. Kein Wunder.

Der Abend war der Gattung Klaviertrio gewidmet, einem Genre, dem sich nicht allzu viele Spezialensembles widmen. Dafür aber finden sich immer wieder Spitzenmusiker zusammen, um auch solch „abseitigere“ Pfade auszuloten. Von Mozart gibt es ein halbes Dutzend entsprechender Kompositionen: Wie ernst es ihm bei der Gestaltung des E-Dur-Werks KV 542 war, beweist nicht zuletzt das Autograph eines zweiten - komplizierter und wohl deswegen nicht weiter geführten -  Ansatzes von nicht weniger als 65 Takten zum Finale. Wie sehr dabei das Tasteninstrument im Vordergrund steht, beweist nicht zuletzt dessen Dominanz durch thematische Einstiege in alle drei Sätze. Bei Henri Sigfriedsson, der für den erkrankten Saleem Abboud Ashkar einsprang, lag dieser Klavierpart in besten Händen.

Nach diesem „spielerischem“ Einstieg ging es mit dem Trio von Robert Schumann wesentlich kompakter, durchwachsener weiter: Gerade das g-Moll-Opus 110 weist dramatisch und rastlos weit über seine früheren Kammermusiken in zukünftige Gedankenwelten. Der gekünstelte „Humor“ im Schluss-Satz wirkt da fast aufgezwungen. Leidenschaftlich verschränkten sich Geigerin Carolin Widmann und Nicolas Altstaedt am Violoncello klangschön und ausdrucksstark mit dem Pianisten: So, als hätten sie ihr Leben lang nichts Anderes als im Trio miteinander musiziert!

Dennoch: Der Höhepunkt kam nach der Pause. Dmitri Schostakowitschs Trio e-Moll op. 67 ist noch immer „modern“ (Tatsächlich: Einige Zuhörer flüchteten). Ja vielleicht darf und soll es verstören - bis Heute: vom grandios gestalteten Flageolett-Einstieg der beiden Streicher an, durch den darauf folgenden emotionalen Ausbruch hindurch - bist in das aufwühlende, ironisch verfremdende Scherzo hinein.

Es folgen die die harsch ins Klavier gehämmerten Akkorde, der Beginn einer Totenklage - zehn Tage nach dem Tod von Freund Sollertinski geschaffen, doch weit mehr als das: Der Satz ist der bedrückende Ausdruck der Trauer auch über die damaligen Kriegsgräuel.

Widmann, Altstaedt und Sigfridsson war’s eine Herzensangelegenheit. Ihre beklemmend persönliche Erschütterung wirkte nachhaltig über die verdämmernden Schlussakkorde auch in die Herzen der Zuhörer, deren spürbar innere Anteilnahme sich erst mählich in Jubel wandelte.