Unverzichtbare Festspieldokumente

CD-KRITIK / GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTER

17/08/12 Mehr als ein Vierteljahrhundert lang hat die Idee eines über nationale Grenzen zwischen West und Ost hinweg jugendliche Musiker zusammen führenden Klangkörpers bereits Bestand. Wer Aufnahmen des Gustav Mahler Jugendorchesters sucht, den bedienten Live-Aufnahmen der Salzburger Festspiele.

Von Horst Reischenböck

Das hat begonnen mit einer Sonderedition 1998, auf der Orchestergründer Claudio Abbado Modest Mussorgksijs Fantasie „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ in der Originalfassung von 1866 leitete. Drei Jahre später folgte Pierre Boulez mit seinen eigenen Notations I – IV, Béla Bartóks Orchesterstücken op. 12 und dem „Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky. Beide Aufnahmen sind leider nicht mehr erhältlich.

Dafür gibt’s erstmalig Anderes, ebenso Hörenswertes. 1989 leitete Franz Welser-Möst im Großen Festspielhaus Anton Bruckners 7. Sinfonie in E-Dur. Ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Dokument, nicht nur unter dem Aspekt eines – damals – jungen, aufstrebenden Dirigenten aus Oberösterreich in der Auseinandersetzung mit dem Werk seines großen Landsmanns. Einmal vom äußerlich Messbaren her: Es handelt sich um die bislang wohl mit Abstand kürzeste Interpretation. Als ein Endpunkt eines Pendels, bei dem Welser-Möst dem anderen Extrem von Sergiu Celibidache in allen Sätzen richtiggehend davoneilte.

So gelangte er im Adagio, das dennoch absolut ausreichend „Sehr feierlich und sehr langsam“ dünkt, das Ziel um nicht weniger als 9 Minuten eher! Wobei er übrigens in deren Klimax nicht auf den angezweifelten Beckenschlag verzichtete. Alles ohne Einbuße an Spannung. Geradlinig, stringent durchleuchtet, ohne mystisch-rituelle Verklärung, vom 24 Takte langen Einstieg der Violoncelli in den Kopfsatz an. Natürlich hat Welser-Möst damals auch das Scherzo tatsächlich „Sehr schnell“ genommen.

Um solch gestaltende Ambitionen umzusetzen, ist der Schwung, den die jungen Instrumentalisten einbringen, natürlich eine Voraussetzung. Gleichsam unverbraucht, ohne von Tradition überfrachtet zu sein, das beflügelt. Und technisch ist das Spiel auf höchstem Niveau. Das kam auch den bisherigen Preisträgern des Young Conductors Award, dem Deutschen  dem Deutschen David Afkahm und Ain?rs Rubikis aus Riga zupass. Sie mussten nicht erst eigenständig bereits Vorhandenes ausräumen, sondern konnten eigene Intentionen unmittelbar umsetzen. David Afkham ist übrigens mittlerweile Assistenz-Dirigent des Gustav Mahler Jugendorchesters geworden.

Die jüngste CD mit dem Gustav Mahler Jugendorchester in der reihe „Festspieldokumente“ konserviert das Konzert mit dem Vorjahrssieger des YCP, Ain?rs Rubikis. Schon wie sich der gebürtige Lette Claude für Debussys „Vorspiel zum Nachmittag eines Faunes“ Zeit ließ, darin subtil Klangfarben zum Leuchten brachte, nimmt ein.

Dass er danach den Meeres-Zwischenspielen aus Benjamin Brittens „Peter Grimes“ nichts schuldig blieb, war zu erwarten gewesen, zumal er mittlerweile diese Oper auch in seiner Position als Musikdirektor und Chefdirigent des Opernhauses in Nowosibirsk gestaltete. So passte darauf auch der Abschluss des Konzerts in der Felsenreitschule, mit Igor Strawinskys Ballettsuite „Der Feuervogel“. Von der Dynamik her auf das Feinste abgestimmt und grandios gesteigert – eine Bereicherung des Angebots, und das zum Vorzugspreis!

Gustav Mahler Jugendorchester
Anton Bruckner, Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107. Dirigent Franz Welser-Möst. ORFEO CD C 868 121 B
Claude Debussy, Prélude à l’après-midi d’un faune; Benjamin Britten, Four Sea Interludes op. 33a; Igor Strawinsky, L’Oiseau de feu – Suite 1919. Dirigent Ain?rs Rubikis. Salzburger Festspieldokumente CD SF 020
Bild: www.askonasholt.co.uk / Mark Harrison (1)
Am kommenden Dienstag (21.8.) ist das Gustav Mahler Jugendorchester wieder bei den Festspielen. Diesmal dirigiert Daniele Gatti, Frank Peter Zimmermann ist der Solist in Alban bergs Violinkonzert. - www.salzburgerfestspiele.at