asdf
 

Wie aus einem Stich ein Punto wurde

CD-KRITIK / HORN-TRIOS

25/01/12 Gut, dass damals Facebook noch nicht erfunden war. Heute könnte ein prominenter Musiker kaum auf seine „Community“ verzichten – und also nicht so leicht untertauchen wie Jan Václav Stich alias Giovanni Punto (1746-1803).

Von Reinhard Kriechbaum

Aus der Musik-Sklaverei seines böhmischen Fürsten entzog sich Václav Stich durch Flucht, italianisierte flugs seinen Namen und machte schöne Karriere als reisender Hornvirtuose. Interpol war auch noch nicht erfunden und Mitteleuropa ein Haufen von Mini-Regentschaften. Herr Stich/Punto hatte also wenig zu befürchten, sein alter Brötchengeber (der immerhin die Ausbildung finanziert hatte) schlechte Karten.

Heute gilt Stich den Hornisten als einer der Schutzheiligen. Annie Laflamme (Traversflöte), Christian Binde (Naturhorn) und drei assistierende Streicher haben sich als Gruppe sogar nach ihm benannt: Compagnia di Punto. In dieser raren Quintettbesetzung lassen sie auf ihrer Debüt-CD Musik hören, die des Kennenlernens mehr als wert ist. Dem oft zitierten „böhmische Musikantentum“, vor allem in Hinsicht auf die Holzbläser, kann man hier ertragreich nachlauschen – auch wenn keiner der drei Komponisten unmittelbar mit Tschechien zu tun hat. Aber alle waren als Musizierpartner, Schüler oder Enkelschüler irgendwie mit besagtem Václav Stich/Giovanni Punto verbandelt. Im Fall eines Quintetts in F-Dur von Federigo Fiorillo hatte Punto immerhin seine arrangierende Hand im Spiel.

Gibt es so etwas wie einen „Punto-Stil“? Die hier vereinten Werke – von Johann Michael Mettenleitner (1791-1859) und Johannes Amon (1763-1825) – treiben das Naturhorn nicht zu Höhenflügen, sondern  nutzen durch Stopfen die warme, im Klang variantenreiche Mittellage. Solche Techniken verblüfften die Zeitgenossen vermutlich. Christian Binde versteht es, aus den großen Unterschiede zwischen leuchtenden und eben „gedeckten“ Tönen nicht nur ein Maximum an Abwechslung zu erzielen, sondern daraus auch sinnstiftenden Effekt zu ziehen.

Zwischen Kerker und Krone: Quintette von Traversflöte, Horn und Streicher von Johannes Amon, Federigo Fiorillo und Johann Michael Mettenleiter. Compagnia di Punto (Annie Laflamme, Traversflöte, Christian Binde, Naturhorn, u.a.). Coviello Classics COV 21111 - www.covielloclassics.de

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014