Es waren zwei Königskinder

CD-KRITIK / „PRINCIPE UND PRINCIPESSA“

02/01/12 Gleich in den ersten Takten des eröffnenden „Largo e con affetto“ in der Sonate von Jakob Friedrich Kleinknecht stürzt sich die Basslinie die chromatische Quart hinab, ein rhetorischer Ausdruck von Trauer und Leid. Es könnte uns also sogleich einfallen, dass Friedrich dem Großen die Flöten-Muse nicht in die Wiege gelegt worden ist.

Von Reinhard Kriechbaum

Papa, der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I., hielt nämlich so gar nichts von musikalischen „Amusements“. Deshalb wurde der Kronprinz von Johann Joachim Quantz vorerst nur im Geheimen unterrichtet. Auch Königin Sophie Dorothea, die für ihren Sprössling und seine Schwester, die spätere Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, manch namhaften Musiker herbei holte und im Kleinen ein respektables Musikleben am Hof organisierte, tat gut daran, dicht zu halten. Könnte es sein, dass die Musik gerade deswegen für die beiden Königskinder besonderen Stellenwert bekam?

Hier sind also beisammen: je eine Komposition von Friedrich dem Großen und seiner Schwester Wilhelmine – und drumherum Stücke von Leuten, die entweder als Lehrer oder als Komponisten-Freunde für die beiden von Bedeutung waren. Die Flötensonate in a-Moll der Wilhelmine von Bayreuth ist noch keine zehn Jahre bekannt – auch was diese beiden musikalischen Königskinder betrifft, ist offenbar Gendergerechtigkeit nicht erreicht.

Sabine Dreier hat es als „Geburtshelferin“ der Sonate Wilhelmines nicht ganz so leicht, vergleicht man beispielswiese deren Affetuoso-Satz mit jenem des Jakob Friedrich Kleinknecht oder mit den Suiten-Sätzen von Ernst Gottlieb Baron. Da bleibt Wilhelmines Werk deutlich schematischer, auch wenn als Dritte im Bunde Irene Hegen am Tafelklavier ordentlich mitmischt.

Markgräfin Wilhelmine war – laut Urteil Matthesons – eine vorzügliche Lautenistin, und überhaupt erlebte dieses Instrument damals eine Spätblüte. Johannes Vogt vermittelt auf der Theorbe die quasi „neuen“ Ansprüche an das zunehmend als dialogischer Partner angefragte, mithin emanzipierte und bei der melodisch-verzierenden Ausgestaltung des Continuoparts geforderte Instrument. Nicht nur in der Sonate in G-Dur von Ernst Gottlieb Baron (den Friedrich in Bayreuth abgeworben hatte) lohnt es sich, gerade darauf zu hören – Johannes Voigt ist nicht nur ein fantasievoller, sondern auch ein stilkundiger Spieler, der die jeweils individuellen Ambivalenzen an der Schnittstelle zwischen spätbarocker Galanterieware und Aufbruch in frühklassische Gefilde gut herausarbeitet.

„Principe und Principessa. Flöte und Laute am Berliner und Bayreuther Hof. Duo Mignarda: Sabine Dreier (Traversflöte), Johannes Vogt (Theorbe). Trefoil-Edition 2.002. www.trefoil-edition.de