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… und mit einem Herzen voll unendlicher Liebe

CD-KRITIK / FRANUI / LIEDTRILOGIE

14/12/11 Sie haben Brahms, Schubert und Mahler nicht kopiert, nicht modernisiert, schon gar nicht arrangiert. Die Musicbanda Franui fasziniert und rührt mit „ihrem“ Brahms, „ihrem“ Schubert und „ihrem“ Mahler auch Lied-Puristen. Franui machen aus - meist nur scheinbar „schlichten“ Liedern - satztechnisch hochkomplexe Miniaturdramen zwischen Jazz, Kärntnerlied und Pusztaklang.

Von Heidemarie Klabacher

Lieder erzählen vom „Menschen an sich“. Und Mensch ist Mensch. Egal, ob auf der „Franui“ genannten Almwiese im Osttiroler Innervillgraten, im jüdischen Schtetl, in New Orleans oder im Zigeunerwagen. Selbst wenn sie alle - Trachtenmusikkapelle, Fanfare Cioc?rlia, Marching Band und Klezmorim - innerhalb eines einzigen Liedes aufmarschieren, kommt bei Franui kein Weltmusik-Kitsch heraus.

Markus Kraler und Andreas Schett vertonen keineswegs die Gedichte neu: In vielen Nummern quer über die drei CDs kommen nur einzelne Textteile oder gar nur Textfetzen vor. Sie schreiben auch keine neuen Lied- oder Instrumentalsätze statt des Klavierparts unter die alten Melodien. Ihre Kompositionen erfassen vielmehr - und mit größtem Gespür -  Charakter, Stimmung und Atmosphäre jedes einzelnen Liedes.

Eine Uhr schlägt (eine tiefe Harfensaite?), eine Tür knarrt. Aus diesem Nichts heraus entwickelt sich die Melodie von Schuberts „Doppelgänger“. Vielleicht ist es aber auch nur der Schatten des Doppelgängers - so verloren, so verzagt ist der tiefe Bläserton. Geisterhauch. „Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück“, heißt die letzte Zeile im Lied „Der Wanderer“, die der ersten Franiu Lied-CD den Titel gegeben hat: 2007 sind die Schubertlieder erschienen, 2008 die Brahms Volkslieder und heuer die Mahlerlieder.

Damit beschließe die Musicbanda Franui ihre Trilogie über die Liedkunst im 19. Jahrhundert, heißt es beim Label Col legno. Spannend, womit sich Franui unter dem Titel „Frische Ware“ (so ein Programmpunkt des Franui Festspielkonzerts im Sommer 2012) künftig beschäftigen werden. Der Liedinterpretation jedenfalls haben sie eine überaus spannende Facette beschert. Lied-Neulinge werden garantiert neugierig, wo das denn alles herkommt, und als Liedkenner kann man nur staunen, wie frech Franui mit den quasi heiligen Gesängen umgehen - und wie subtil und  sie deren emotionalen Gehalt in die buntscheckigsten Klanggewänder kleiden.

Schuberts „Auf dem Wasser zu singen“ kommt etwa als Virtuosenstück für einen Zigeunerprimas daher, „Wanderers Nachtlied“ als große Bläserhymne. Gefrorenen Geisterhauch scheint auch das Lied an den „Abendstern“ zu atmen, während geradezu unverschämt heiter „Abschied“ genommen würde - würde der Reigen hinaus der „munteren fröhlichen Stadt“ nicht immer wieder an der gleichen Stelle stecken bleiben, wie eine alte Schallplatte…

Die Mahlerlieder nach Franui wirken am wenigsten „vokal“ gedacht. Noch stärker als bei Schubert und Brahms scheinen Markus Kraler und Andreas Schett der Atmosphäre der Lieder noch vor dem konkreten Inhalt nachgespürt zu haben.

Zigeuner- und Trachtenmusikkapelle, Big Band und Stubenmusi legen gerne gleichzeitig los. So ein Tanz auf dem Vulkan samt Teufelsreigen sind etwa „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“ oder „Die zwei blauen Augen“: Die Melodien - oder Melodiefetzen - spuken wüst durch alle Lagen, Instrumente und Stile. Gelegentlich jazzelt es. Auch „Das irdische Leben“ ist ein - im Wortsinn diesmal - lebensbedrohlicher Reigen: unheimlich, düster, wie es dem Charakter des Liedes entspricht.

Früher hätten sie vor allem Trauermärsche gespielt, „heute spielen wir auch anderes“, erzählte Andreas Schett voriges Jahr beim Franui-Konzert beim „Delirium“ von Gustav Kuhn (wo sie am Sonntag 18. Dezember wieder zu Gast sind). Trauermärsche tauchen dennoch ständig auf - besonders natürlich auf der Mahler-CD: „Nicht wieder sehen“ ist so ein „Trauermarsch im Blech“, der sich zum Chanson im Big Band-Sound entwickelt und für Augenblicke in die überirdische Sphäre der franui-zarten Geigenklänge führt. Solch traumverlorene Töne gebieten immer wieder selbst dem größten Toben der Elemente und Instrumente Einhalt. Da hat dann auch das Staunen seinen Platz.

Ein Vokalstück bleibt „Urlicht“. Das geheimnisvolle „O Röschen rot“ wird gesungen, der einleitende Bläsersatz ist bis auf ein paar feine Hackbrett-Zupfer fast „original“ Mahler. Das Lied erklingt über einen absurden Ensemblesatz - schräg und unruhig wie die Menschensphäre eben ist. Statt „Ich bin von Gott“ heißt es bei Franui „Ich bin ein Falott“. Selbst so was lässt man ihnen durchgehen: Der liebe Gott nimmt auch Falotten auf, keine Frage. 

Die Männerstimmen von Franui wirken ein wenig gewollt harmlos. Die Vokalnummern mit den Franui-Frauenstimmen sind rein stimmtechnisch überzeugender. Zum Weinen schön ist „In Stiller Nacht“ für drei Frauenstimmen über einer Art Hackbrett-Ostinato, die letzte Nummer auf der Brahms-CD“. Der Frauenstimmensatz von „Die Sonne schein nicht mehr“ könnte direkt von Johannes Brahms sein. Das würde man jederzeit glauben, zumindest bis zum klagevollen „Trauermarsch“ im Zwischenspiel, der sich zum hochemotionalen filmmusikreifen Bläsersatz steigert.  Eine einzelne Geigenstimme führt dann zurück zum Vokalsatz der zweiten Strophe, bei der auch Männerstimmen dabei sind.

Franui Musikbanda: Schubertlieder „Wo du nicht bist, ist das Glück“. Col Legno world, WWE 20301
Franui Musikbanda: Brahms Volkslieder „Nur ein Gesicht auf Erden lebt“. Col Legno world, WWE 20302
Franui Musikbanda: Mahlerlieder „.. und ruh’ in einem stillen Gebiet“. Col Legno world, WWE 20303.
Franui spielen am Sonntag (18.12.) um 11 Uhr im Großen Saal beim „Delirium“ von Gustav Kuhn Schubert-Lieder. Sprecher ist Sven-Eric Bechtolf.

 

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