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Der Friedensruf in Cinemascope

CD-KRITIK / HEINRICH SCHÜTZ

11/02/11 Die „tausendfache Freud“ des Friedens, der über Schlesien kommen möge: Ein heutiger Hörer kann den musikalischen Jubel, den Heinrich Schütz in seiner lateinischen Motette „Teutoniam dudum belli“ angefacht hat, erst verstehen, wenn er sich in die Entstehungszeit hinein versetzt.

Von Reinhard Kriechbaum

1621 – da sind wir eigentlich noch am Beginn des Dreißigjährigen Krieges. In seiner Vorrede zu den Kleinen Geistlichen Konzerten hat der am Dresdner Hof tätige Komponist fast zwei Jahrzehnte später von der „Bosheit der jetzigen, den freyen Künsten widrigen Zeiten“ geschrieben. Die materielle Not war der Grund, dass es „kleine“ geistliche Konzerte wurden und nicht repräsentative Musik-Tableaus in mehrchöriger, am Vorbild der Musik in San Marco orientierter Besetzung.

Der mehrchörigen Technik freilich hat Schütz auch in schlechten Zeiten nicht abgeschworen – das spiegelt die aparte Werkauswahl dieser CD, die aus den großen Werk-Kompendien - von den Psalmen Davids über die Kleinen Geistlichen Konzerte, die Symphoniae Sacrae bis zum prachtvollen „Magnificat“ SWV 468 eine Blütenlese bringt. Raritäten sind jene beiden Huldigungs-Kantaten, die Schütz 1621 geschrieben hatte, als sich sein Dienstherr, Kurfürst Johann Georg I. in Breslau feiern ließ als der erhoffte Friedensbringer und -sicherer. Die Vorfreude war entschieden verfrüht …

Die Capella Sagitarriana Dresden unter Norbert Schuster blättert die Musik in ihrer Raum-Fülle auf, egal ob im Großen oder im Kleinen. Wir dürfen uns hineinfühlen, mit welchem Wissen um Effekte Schütz seine geistliche Musik der Dresdner Schlosskapelle eingeschrieben hat. Besonders liebevoll herausgearbeitet sind die konzertierenden Effekte zwischen Singstimmen und instrumentalen Passagen. In den Symphoniae Sacrae „In lectulo per noctes“ und „Invenerunt me custodes civitatis“ lernt man Schütz als Tonmaler mit drei Fagotten kennen (zu Sopran und Countertenor). Es sind Vertonungen von Versen aus dem Hohelied. In dem bekannteren „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ ist es anregend, wie in den mittleren Strophen die Cantus-firmus-Melodie gleichsam wegtaucht und die Singstimmen sich in völliger Freiheit entfalten. Beeindruckend das Zink-Solo in „Wo der Herr nicht das Haus bauet“.

Ein wenig geläufiges, frühes Werk, aus dem unmittelbar das Faszinosum der venezianischen Mehrchörigkeit spricht, wie sie Schütz bei Giovanni Gabrieli in Venedig kennen gelernt hat: das geistliche Konzert „Veni Sancte Spiritus“ für zwei dreistimmige und zwei fünfstimmige Chöre aus dem Jahr 1614. Eine CD wird der tatsächlichen Raumwirkung immer ein klein wenig hinterher hinken, aber die Aufnahme macht der Reihe, in der sie erschienen ist, doch alle Ehre: Raumklang, zum Greifen und süffigen Durchtauchen.

Musik aus der Dresdner Schlosskapelle – Heinrich Schütz „Ich hebe meine Augen auf“. Capella Sagitariana Dresden, Ltg. Norbert Schuster. Edition Raumklang, RK 3001. www.raumklang.de

 

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