Geschlagen und aufgequirlt

CD-KRITIK / BACH AM HACKBRETT

24/01/23 Das „liebliche Sausen der Harmonie“ hat den Musik-Gelehrten Johann Mattheson für das von Pantaleon Hebenstreit (1668-1750) entwickelte chromatische Hackbrett eingenommen. Dieses zu spielen, habe ihm „größte Wollust des Gefühls“ bereitet, schreibt er in einem Brief.

Von Reinhard Kriechbaum

Ganz gewiss hat auch Bach den Klang des „Pantalonischen Cimbal“ im Ohr gehabt und neugierig hingehört, wenn's einer spielte. Um Bach und Hebenstreit zusammen zu bringen, braucht es keine wagemutigen Hypothesen. Die beiden waren Zeitgenossen, und es gab der Möglichkeiten viele, dass sich ihre Wege kreuzten. Wenn auch keine direkte Begegnung dokumentiert ist. Bach hatte viele Kontakte zu Dresdner Hofmusikern – dort wurden Hebenstreit und sein Instrument hoch gehandelt. Und einige Prototypen seines chromatischen Hackbretts ließ Hebenstreit in der Werkstatt von Gottfried Silbermann in Freiberg bauen. Fazit: Es mag sogar unwahrscheinlich anmuten, dass Bach und Hebenstreit einander nicht irgendwann über den Weg gelaufen sind...

Freilich gibt es von Bach keine Hackbrett-Musik. Das bedauern Margit Übellacker und Jürgen Banholzer verständlicherweise, und so haben die Hackbrett-Spezialistin und ihr Duo-Partner an der Orgel dem Glück nachgeholfen. Als Ensemble La Gioia Armonica sind sie aufeinander eingeschworen, sie können beide erhebliche Virtuosität ins Treffen führen. Sie haben bekannterweise Lust an Klangexperimenten. Aber genauso haben sie ein hohes Sensorium dafür, wo die Grenzen solcher Bearbeitungen liegen. So darf man sich Stück um Stück, Satz um Satz mit Gewinn einlassen auf die gustiösen Transkriptionen von vier Sonaten, die eigentlich für Violine und Basso continuo gesetzt sind.

Die Lösungen sind originell und pragmatisch. Im ersten Satz der Sonate e-Moll BWV 1023 übernimmt das Hackbrett den gesamten Violinpart, und die Orgel hält nur sanfte Bordun-Töne. Dafür rast die Orgel allein durch den dichten dritten Satz der G-Dur-Sonate BWV 1019. In der Bearbeitung der A-Dur-Sonate BWV nimmt ein, wie ungemein weich die Hackbrett-Melodiestimme mit dem Holzgedackt dialogisiert, wogegen gleich darauf ein plastisch durchgezeichneter Triosatz mit elektrisierenden Hackbrett-Impulsen aufgeladen wird.

Margit Übellacker allein spielt zwei Sätze aus den Cellosuiten und das Preludio aus der Violin-Partita Nr. 3 BWV 1006/1. Da kommt die harmonische Struktur logischerweise besonders gut heraus, und man versteht, dass Zeitgenossen aufs neu entwickelte Hackbrett große Stücke hielten, ob der dynamischen Möglichkeiten. Das Hammerklavier hat ihm schließlich den Rang abgelaufen.

Als Salzburger Musikhörer kommt einem natürlich auch Tobi Reiser in den Sinn, über den man ja überall lesen kann, dass er es war, der 1934 den Salzburger Instrumentenbauer Heinrich Bandzauner ein chromatisches Hackbrett bauen ließ - was in der alpenländischen Volksmusik als Neuheit gewertet wurde. Wie man sieht: Alles schon mal dagewesen, sogar auf höchster Ebene. 

Hebenstreit's Bach. La Gioia Armonica (Margit Übellacker, Hackbrett, Jürgen Banholzer, Orgel). Ramée, RAM 2101 – outhere-music.com/de/alben/hebenstreits-bach