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Es geht bei Gott nicht nur um Gott

CD-KRITIK / HÄNDEL / GEISTLICHE ARIEN

24/12/20 Musikalisches Genie und Dankbarkeit der Adressatin: Die englische Queen Anne war von der Huldigungsmusik zu ihrem Geburtstag, die Händel 1713 schrieb, so außerordentlich entzückt, dass sie ihm auf Lebenszeit (!) eine Pension von 200 Pfund zusicherte. Da ist also eine schöne Summe zusammen gekommen bis 1759.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein guter Griff, mit der Eröffnungsarie dieser Ode for the Birthday of Queen Anne eine Programmfolge mit Arien aus Oratorien von Händel zu beginnen: Diese lange, in ihrer Expressivität einprägsame Melodie aufs Wort „Eternal“, nur vom Continuo begleitet, wird notengetreu aufgegriffen von der Solotrompete. Es ist einer jener genialen Kunstgriffe Händels, die wahrscheinlich auch die Unmusikalischsten im Publikum haben aufhorchen lassen und die Kenner entzückt haben. Die dunkel abgetönte Countertenorstimme von Franz Vitzthum und der das göttlichen Licht in Laser-Bündelung transportierende Trompetenton – das ist ein Glücksfall in dieser Aufnahme.

Um einprägsame Lösungen war Händel nie verlegen: Gut dreieinhalb Jahrzehnte später, im Oratorium Theodora (1750), lässt er den heidnischen Didymus (der sich später in die Märtyrerin verlieben und zum Christentum bekennen wird) von The Raptur'd soul singen. Theodoras verzückte Seele, ein paar Takte lang besungen ganz ohne Begleitung – da werden die Zuhörer mit der Nase auf die Seelenreinheit und Glaubensleidenschaft der Titelfigur gestoßen.

Geistliche Arien“ ist vielleicht ein etwas schwammiger Untertitel für diese Händel-Blütenlese. Weil Händel ja ein Musikdramatiker vom Scheitel bis zur Sohle war und seine Librettisten sich auch für die biblischen Figuren höchst lebensnahe, griffige Handlungen ausdachten, geht’s bekanntlich auch in den Oratorien bei Gott nicht nur um Gott. Die Arie des Titelhelden in dem kaum aufgeführten Oratorium Alexander Balus lässt uns ob höchst energievoller Koloraturen ahnen, dass der Held aus dem ersten Buch der Makkabäer mit gehörigem Testosteron-Pegel zur Rückeroberung seiner Frau gen Ägypten zieht.

Auch Susanna gehört nicht zu den Oratorien-Schlagern Händels. Während die alten Lüstlinge die junge Dame im Bade beobachten, singt deren Ehemann von der ersten Liebe zu ihr, ein wundersam lyrischer Abschluss einer Folge von Arien, die an Vielgestaltigkeit und unterschiedlichen Stimmungen nichts zu wünschen übrig lässt.

Julian Christoph Tölle lässt das L'Orfeo Barockorchester gerne mit Verve, aber immer elegant und un-vorlaut zupacken, findet aber auch einige Male zur nötigen bezwingenden, fast transzendentalen Ruhe. Da kann Franz Vitzthum sein Countertenor-Samt auffalten. Aber der Sänger hat auch glaubwürdig-kernige Koloraturen parat. The Life. The Light. The Way – der Titel für die Arien-Blütenlese stammt aus einer Arie aus Theodora. Und damit wenigstens ist wirklich der liebe Gott angesungen.

The Life. The Light. The Way. Händel. Sacred Arias. Franz Vitzthum (Countertenor), L'Orfeo Barockorchester, Ltg. Julian Christoph Tölle. Christophorus, CHR 77441

 

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