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Hurtig mit der Faust

HEINRICH SCHEIDEMANN / CEMBALOWERKE

13/01/10 Hand aufs Herz: Welcher Musikhörer verträgt schon eine ganze CD mit Drei- bis Vierminutenstücken eines einzigen, noch dazu unbekannten Barockkomponisten?

Von Reinhard Kriechbaum

Wenn da nicht Langeweile ausbricht, ist's allein schon ein Signal für außergewöhnliche Qualität. - Nun ist Heinrich Scheidemann (ca. 1595-1663) keineswegs unbekannt. Sein Stellenwert in der norddeutschen Orgel-Literatur des 17. Jahrhunderts ist unbestritten, insbesondere seit Mitte der fünfziger Jahre die Zellerfelder Orgeltabulaturen entdeckt wurden. Aber als Cembalomeister ist Scheidemann noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Die Stücke auf dieser CD sind durchwegs Ersteinspielungen.

Hübsch das Urteil von Johann Mattheson, der über den älteren Kollegen schrieb, er sei "hurtig mit der Faust, munter und aufgeräumt, ... doch nur mehrenteils so weit, als sich die Orgel erstreckte." Bei Jan Peterszoon Sweelinck hat Scheidemann gelernt, und damit das aktuelle Handwerkszeug der Zeit mitbekommen. Was der niederländische Cembalist Pieter Dirksen auf dieser Einspielung vorlegt, zeigt einen Musiker, der deutlich über den Orgel-Horizont seines engeren Wirkungskreises hinausdachte. Mag sein, dass die vielgereisten Hamburger "Pfeffersäcke" das ja auch erwarteten von ihm, der dort für etwa vier Jahrzente das Amt eines Organisten in St. Catharinen bekleidete (ein Amt, das er übrigens von seinem Vater David  übernommen hatte).

Eine Blütenlese also, die einen kompositorisch firmen, effektbewussten und vor allem an Repertoirekenntnis reichen Komponisten bestätigt: Alte und neue Formen finden sich da, Fantasien und Praeambula, Suitensätze und Balletti, Liedbearbeitungen mit Variationen. Melodie-Vorbilder holte Scheidemann sich in England (John Bull, John Dowland) ebenso wie in Italien (Felice Anerio). Dowlands berühmte "Pavana Lachrymae" inspirierte ihn ebenso wie der französische Stil seiner Zeit oder Orlando di Lassos Motette "Omnia quae fecisti" - ja, auch in der zu dieser Zeit schon eher altmodischen Intavolierung von Vokalmusik fand Scheidemann sich zurecht und machte er cembalistischen Effekt. Das alles ist, wie schon Mattheson schrieb, "in der Composition wohl gegründet" und von Pieter Dirksen stilistisch sachkundig und auf einer klangvollen Ruckers-Kopie akkurat umgesetzt.

Heinrich Scheidemann: Harpsichord Music. Pieter Dirksen. Etcetera KTC 1311 (www.etcetera-records.com)

 

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