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Frechheit siegt

MOZARTWOCHE / MAHLER CHAMBER ORCHESTRA

01/02/13 Mit jugendlichem Feuer sorgten der Dirigent Andrés Orozco-Estrada vor dem Mahler Chamber Orchestra und die Geigerin Patricia Kopatchinskaja für Furore. Klassizismus versus Klassik, Igor Strawinsky kontra Wolfgang Amadé Mozart, lautete die Devise am Donnerstagabend (31.1.) im Großen Saal.

Von Horst Reischenböck

Von der Besetzung her einem „Kammerorchester“ längst entwachsen, absolvierte das Mahler Chamber Orchestra auf seiner achtzig Konzerte umfassenden Tournee einen Abstecher nach Salzburg. Befeuert wurde das Ensemble durch Andrés Orozco-Estrada, den designiertenChefdirigenten des Houston Symphony Orchestra und Noch-Chef beim Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester.  Mit Schwung und Elan, heiter tänzelnd gestaltete er die schrägen Sätze der Suite Nr. 2 von Igor Strawinsky, etwa den Satz Valse, der Erinnerung an „Petruschka“ wachruft.

Vollends ins Ballettgeschehen ging es mit der „Pulcinella“-Suite, deren nicht gering zu bewertende solistische Anforderungen die jeweiligen Ensemble-Mitglieder geradezu bravourös, mit spielerischer Leichtigkeit, absolvierten. Ob konzertierendes Streichquintett, oder die Solisten mit Oboe, Flöten, Horn oder Trompete: Es war purer Hörgenuss!

Bei Mozarts Violinkonzert D-Dur KV 218 war’s weniger eindeutig. Dafür war eindeutig die Sicht der Violinsolistin Patricia Kopatchinskaja verantwortlich. So wie sie - nicht zimperlich und oft ohne Rücksicht auf Tonschönheit - virtuose Attacken ritt, so hätte möglicherweise ein Paganini Mozart gespielt. Paganini dürfte ihr auch bei der eigenen Kadenz im eröffnenden Allegro im Kopf herumgespukt zu sein... Ganz zu schweigen von der bewussten Irritation durch den schon mehr als frechen Abstecher  in ausgewachsene Dudelsackklänge hinein. - Denen sie zusammen mit KonzertmeisterThomas Gould noch eins draufsetzte: Mit der Nummer 36 aus den 44 Duos von Béla Bartók und den Pizzikati der vorletzten Nummer von Sz 98. Spätestens da war das Publikum im Großen Saal des Mozarteums vollends begeistert.

Oroczo-Estrada erwies sich zuletzt als wahres Energiebündel in Mozarts Sinfonie g-Moll KV 183, Mozarts zweites Werk in einer Moll-Tonart. Welch immenser Zorn muss wohl damals in ihm gesteckt haben! Gerne wird sie „Kleine g-Moll Symphonie“ genannt, im Gegensatz zur „Großen g-Moll Symphonie“ KV 550. Aber so interpretiert, mit dem Bläsertrio im Menuett als einzigem Lichtblick, ist sie keineswegs ein „kleines“ Opus im tragisch aufrührerischen g-Moll. Das Werk übertrifft emotional alle eventuellen Vorbilder, sei es von Joseph Haydn oder Johann Baptist Vanhal. Andrés Orozco-Estrada und das Mahler Chamber Orchestra musizierten KV 183 aus einem Guss, in stetem Sog vorwärts drängend. Ein grandioser Schlusspunkt, zu Recht bekräftigt durch zahlreiche Bravi.

Bild: Werner Kmetitsch (1); ISM/Wolfgang Lienbacher (1)

 

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