Leises schießen, lautes schießen, Tontaubenschießen

LITERATURHAUS / TROJANOW / ZEYRINGER

24/6/2016 „Weil es in beiden Büchern nämlich nicht nur um Sport geht“: Ilija Trojanow präsentierte die Dokumentation seines Selbstversuches „Meine Olympiade. Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen“, Klaus Zeyringer lud zur Spurensuche „Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte von 1896 bis heute“.

Von Jelena Runge Djordjevic

Klaus Zeyringers Buch ist eine Geschichte des 20. Jahrhunderts, die durch die Brille der olympischen Spiele betrachtet wird. Sein Werk zeigt auf sehr einfühlsame Weise – oder laut Trojanow „erstaunlich literarisch für einen Sachbuchautor“ – dass olympische Ereignisse wie kaum etwas anderes gesellschaftliche und politische Themen spiegeln. Ilija Trojanow hingegen schreibt eine persönliche Empirie – eine Art Buchwerdung über die ehrliche Unterhaltung mit dem eigenen Körper.

Das sport- und literaturbegeisterte Publikum am Mittwoch (22.6.) im Literaturhaus zeigte durch reges Interesse und zahlreiche Fragen an die Autoren, wie sehr es den beiden gelungen ist, den Zuhörern die Essenz ihrer Werke darzulegen. Ob Olympische Spiele oder persönliche Olympiade - es handelt sich keinesfalls um eine trockene Aneinanderreihung überlieferter Ereignisse oder persönlicher Fakten.

„Die Sonne, die Straße, der Durst. Shiso Kanaguri läuft. Kein Schatten schützt. Nur sein eigener läuft vor ihm her und bewegt sich klein auf dem Hitzebelag vor den Füßen. Shiso muss laufen, sie haben ihn hierhergeschickt, zur Ehre Japans. Hinunter darf er nicht blicken, er würde taumeln. Er muss laufen, sie haben für ihn gesammelt. Keiner hat geahnt, dass es in Skandinavien so heiß ist. ... So könnte sich die Szene abgespielt haben…“ Die Qualität des Buches von Klaus Zeyringer liegt vor allem darin, dass er versucht, anhand anschaulicher Beispiele geschichtliche Fakten fiktiv zu illustrieren. Eindrucksvoll erkennt und nutzt er auch im Sachbuch das Potenzial der Imagination.

Während der Olympischen Spiele 2012 fasste Ilija Trojanow den Entschluss, alle achtzig Olympia-Sommer-Einzeldisziplinen trainieren. Kanuslalom, Kanurennsport, Rudern, Segeln und Windsurfen umfasst etwa das Kapitel „Auf dem Wasser“. „Luftsprünge“ gibt es in den Disziplinen Turnen, Trampolin und Wasserspringen. „Im Sattel“ betreibt man Radfahren und Reiten. Der Autor erzählt in „Meine Olympiade“ von der Interaktion zwischen Geist und Körper, von Menschen in unterschiedlichen sportlichen Milieus, von dem Menschen und von den vier Elementen. Es stehen keineswegs sportliche Höchstleistungen im Mittelpunkt: Über das mögliche Scheitern und die Frage nach dem „Wie?“ findet das „Ich“ zum „Selbst“, eröffnen sich zusehends tiefenpsychologische Dimensionen von Trojanows Arbeit.

Sowohl Zeyringer als auch Trojanow verstehen die Olympischen Spiele als Inszenierung. Zeyringer wirft einen kritischen Blick auf den Zwiespalt zwischen Idealismus und Realität. Dieser bestehe nämlich schon seid dem Einzug des Hellenismus in die Sorbonne mit Pierre de Coubertin. Anstatt Völkerverständigung - Kolonialismus. In der Zusammenstellung des olympischen Komitees - Aristokraten und Generäle: „Purer Elitismus“. Schlussendlich Sport und die Olympischen Spiele als reiner Kapitalismus. So einige Themen des Gesprächs mit Klaus Zeyringer zu seinem kulturgeschichtlichen Zugang über die Selbstdarstellung in Wettkämpfen, Äußerungen, Symbolen und Signalen.

Beide Bücher sind der Versuch, Sport als anthropologische Konstante und kulturell geprägtes Gut zu begreifen und die Einflüsse auf Individuum und Gesellschaft so zu versprachlichen, dass der Leser über das Wesen der Dinge und ihre kulturelle „Eingebettetheit“ zur Reflexion angeregt wird. - Kulturgeschichte oder Selbsterfahrung, beide Bücher lohnen einen tieferen Einblick!

Bild: LH/Thomas Dorn