In die weite Welt hinaus

LITERATURFEST SALZBURG / KLEMENS RENOLDNER

19/05/16 Mit Aplomb wurde das Literaturfest am Mittwoch (18.5.) eröffnet. Für Adolf Muschg, einen „Nicht-Eingeborenen der virtuellen Welt“ ist deren „Netz“ das Netz einer Spinne „die die Gegenwart absaugt und nur die Hüllen der User hinterlässt“. Da hilft nur weiter lesen. - In Salzburg, trotz Kleingeist seit jeher nicht das schlechteste Sprungbrett in bessere als „virtuelle“ Welten, lebt und arbeitet der Schauspieler, Dichter und Germanist Klemens Renoldner.

Von Klemens Renoldner

Im Traum trete ich zur Aufnahme-Prüfung in die Schauspielschule des Salzburger Mozarteums an. Aber weder meine drei Monologe, wochenlang im Kinderzimmer eingeübt, noch meine jugendliche Theaterbegeisterung, entstanden im Schulertheater, beeindruckte die Kommission. Da gab es nichts zu beschönigen, man hatte mich nicht aufgenommen, ich war bei der Prüfung durchgefallen, Punkt! Schluss!

Enttäuscht lief ich durch die Stadt. Allen musste ich von meinem Unglück erzählen. So traf ich den Tenor Peter Schreier, den Bariton Jose van Dam und die Sopranistin Frederica von Stade, die bei Opern- und Konzert-Aufführungen der Festspiele mitwirkten. Sie trösteten mich auf liebenswürdige Weise, ja sie luden mich sogar ein, ihnen vorzusingen. Ich fuhr nach Parsch, betrat eine elegante Villa, kam in einen Salon mit dunkelroten Tapeten, mitten drin ein Bösendorfer-Flügel. Davor saß Frederica von Stade. Sie trug ein hellgraues, ärmelloses Seidenkleid, schenkte mir ein vielversprechendes Lächeln und flüsterte mir zu, dass sie mich begleiten werde. Und tatsächlich, mein Gesang machte Eindruck. Die drei waren überzeugt, dass meine Stimme entwicklungsfähig sei, dass ich „das Zeug zu einem tollen Sänger“ habe und ich mich noch heute um die Aufnahme in eine der Gesangsklassen des Mozarteums bemühen solle.

Ja, ich wurde tatsächlich aufgenommen. Und nach dem Diplom tingelte ich durch die schöne Welt des Klassik-Betriebs, erhielt Engagements in den Opernhäusern zwischen Osaka und Ouagadougou und konnte in den Konzertsälen von Klagenfurt bis Krasnojarsk immense Erfolge feiern.

Aber leider war dies nur ein Traum. Wie immer sieht ja die Wirklichkeit anders aus. Ich bestand damals - heute muss ich sagen: dummerweise - die Aufnahmeprüfung an die Schauspielschule des Mozarteums. Später traf ich Peter Schreier, Jose van Dam und Frederica von Stade, die mir Interviews gewährten, die ich in einer Salzburger Tageszeitung veröffentlichen konnte. Weil ich aber meine Schauspiel-Ausbildung schon bald wieder beendete und in der Folge Literatur- und Musikwissenschaft studierte, und weil ich also kein Sänger geworden bin, der stolz in die weite Welt hinein (oder besser: hinaus?) geht, so kommt es, dass ich noch heute in dem fabelhaften Städtchen an der Salzach, das Stefan Zweig gerne Gmachlville“ nannte, herumhänge und von einem Abhauen in die große, schöne und - wie im Lied gesagt wird - weite Welt nur träumen kann.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors Klemens Renoldner und des Literaturfests Salzburg

Darf man unterstellen, dass Renoldner seinen Träumen gelegentlich auch an den Fenstern eines der traumhaftesten Arbeitsplätze von „Gmachlville“ nachhängt und hinüber schaut auf den anderen Stadtberg, auf dem der Schöpfer des grandiosen Spottnamens einmal gewohnt hat? Klemens Renoldner, geboren 1953 in Schärding – Literaturwissenschafter und Schriftsteller und tatsächlich einst engagiert an Theatern in Wien, Zürich, München und Freiburg – ist seit 2008 Direktor des „Stefan Zweig Centre“ in der Edmundsburg auf dem Mönchsberg. Und von dort aus sieht man, zumindest im blatt-losen Winter, fast auf Augenhöhe gegenüber liegen die ehemalige „Zweigvilla“ auf dem Kapuzinerberg. Er, Renoldner, erzählt in seinem Buch „Der Weisheit letzter Schuss“ von „wankelmütigen Weltbürgern, fadenscheinigen Biotopen und gutartigen Bühnenschönheiten“.

Für „alle Freunde von Ironie, Satire und tieferem Sinn“ liest Klemens Renoldner beim Literaturfest Salzburg am Freitag (20.5.) um 12.30 im oenm-Studio im Künstlerhaus „aus dieser Sammlung von skurrilen Lebensläufen, eigenwilligen Reiseberichten und aufregenden Geschichten aus der Welt des Theaters“. Weiters lesen wird Irmgard Fuchs aus ihren Debüterzählungen „Wir zerschneiden die Schwerkraft“.
Bild: LFS/Sabine Mardo