Die Denkweisen ein bisschen verrücken

RAURISER LITERATURTAGE 2015

18/03/15 „Mit jeder Geschichte eröffnet sie eine unverwechselbare Sicht auf die Welt. Sie entwickelt immer neue Erzählmuster, lockt mit sehr verschiedenen Erzählerstimmen, bald versponnen und hektisch, bald versuchsweise kühl. Es sind Kunststücke an Balance und Geistesgegenwart.“ Sie, das ist Karen Köhler, die für ihren Erzählband „Wir haben Raketen geangelt“ heute Mittwoch (18.3.) den Rauriser Literaturpreis 2015 bekommen wird.

Von Heidemarie Klabacher

„MEHR.SPRACHEN“ ist der Titel der Rauriser Literaturtage 2015, die heute Mittwoch (18.3.) mit der Verleihung der Literaturpreise und einem ersten Lesungsreigen im Gasthof Grimming in Rauris eröffnet werden. Literaturpreisträgerin 2015 ist Karen Köhler, Förderungspreisträgerin ist Birgit Birnbacher.

„Es ist was anderes, wenn man eine Pflanze ‚Sonnenblume’ nennt, oder wenn man - wie im Französischen mit ‚tournesol’ oder wie im Italienischen mit ‚girasole’ – auch ihr Sich-Hindrehen zur Sonne mit in den Blick nimmt. Oder ob das ‚Brot’ im Kopf je nach Sprache rund und dunkel, lang und weiß oder kastenförmig ist.“

Ines Schütz und Manfred Mittermayer haben mit dem Motto 2015 die Welt der Sprachen und die Sprachen der Welt in den Blick genommen: „Bei den Rauriser Literaturtagen 2015 sind Autorinnen und Autoren zu Gast, die in zwei oder mehreren Sprachen leben und schreiben, die in Übersetzungen fremdsprechen. Lesungen und Gespräche mit ihnen zeigen, wie man die Welt aus den Augen verschiedener Sprachen sehen kann, wie Mehrsprachigkeit mit ihren vielen Namen uns erst ermöglicht, hinter vermeintlich Selbstverständliches zu schauen.“

Die Namen der Autorinnen und Autoren bilden allein schon ein Who is Who der internationalen Szene: Ilma Rakusa, Jaroslav Rudiš, Esther Kinsky, Seher Çakir, Ann Cotten, György Dálos, Anne Weber, Erwin Einzinger, C.W. Aigner, Nadja Küchenmeister, Raoul Schrott, O.P. Zier Olga Grjasnowa…

Tatsächlich öffnen die Rauriser Literaturtage ein Schatzkästlein voller Namen und Bücher, über die auch offene und neugierige Leserinnen und Leser nicht jederzeit so einfach stolpern.

„Seher Çakirs Geschichten sind poetisch, erotisch, metaphernreich, mitunter auch humorvoll. Auch wenn die geborene Türkin kaum der orientalisch-üppigen Erzähltradition huldigt, sind ihre Erzählungen überaus vielschichtig, leben oft von mehreren Zeitebenen, vermischen Erinnerung und Träume mit dem tatsächlichen Geschehen und lesen sich dennoch flüssig und spannend.“

Die 1971 in Istanbul geborene und seit ihrem zwölften Lebensjahr in Wien lebende Lyrik- und Prosaautorin Seher Çakir erzählt „vom Spagat zwischen traditionell-türkischen und westlich-europäischen Vorstellungen“. Gerne unterlaufe sie stereotype Bilder „um die Denkweisen mancher Menschen ein bisschen verrücken zu können“.

1982 in Iowa geboren und ebenfalls in Wien aufgewachsen ist die heute in Berlin lebende Ann Cotten, die ebenfalls als Lyrik- und Prosaautorin erfolgreich ist. Ilma Rakusa gehört längst zu den „Großen“, Der Tiroler Raoul Schrott überrascht immer wieder mit seinen monumentalen Projekten zwischen Wissenschaft und Dichtkunst, Olga Grjasnowa, 1984 in Baku, Aserbaidschan geboren und ebenfalls im Westen aufgewachsen, verzaubert alle Belesenen allein schon mit dem Titel ihres Romandebüts „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. In ihrem neuen Roman „Die juristische Unschärfe der Ehe“ nimmt sie eine Generation in den Blick „die überall und nirgends heimisch ist“.

Die 45. Rauriser Literaturtage von 18. bis 22. März – www.rauriser-literaturtage.at können auch auf Facebook und Twitter  verfolgt werden

Für DrehPunktKultur berichteten aus Rauris wieder Studierende von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2015)“ am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.

Bilder:Rauriser Literaturtage / René Fietzek (1); Karl Peherstorfer (1); Lukas Beck (1)