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Thomas Bernhard. Eine Erregung.

IM WORTLAUT / THOMAS BERNHARD FÜR ALLE?

05/02/15 „Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“ So heißt nicht nur die Erzählung von Thomas Bernhard (1931-1989), dessen Geburts- und Todestag dieser Tage (am 9. und am 12. Februar) jähren. Diese Frage stellen sich auch Literaturvermittler angesichts der sich häufenden Bernhard-Verbote ausgerechnet in Salzburg.  - Literaturhaus-Leiter Tomas Friedmann fasst die jüngsten Ereignisse zusammen.

Von Tomas Friedmann

Bernhard-Verbote also ausgerechnet in Salzburg, wo bei den Festspielen zahlreiche Theaterstücke uraufgeführt wurden, wo sich die Universität und anerkannte Germanisten um den Autor bemühen, wo das Thomas Bernhard-Institut für Schauspiel und Regie an der Universität Mozarteum beheimatet ist - und wo die subventionierte Internationale Thomas Bernhard Gesellschaft (ITBG) sitzt.

In der Stadt Salzburg, der Bernhard zeitlebens in einer Hassliebe zugetan war, publizierte er seine ersten Gedichtbände, arbeitete er als Journalist, studierte am Mozarteum und verfügte er zwei Tage vor seinem Tod bei einem Notar durch sein Testament, dem österreichischen Staat sein Werk zu entziehen und posthum eine „literarische Emigration“ zu erzwingen.

Die Gegenwart sieht allerdings anders aus. Hat sich der Erbe über die letzte Verfügung des Dichters hinweggesetzt, um dann entscheiden zu können, ob und wo und wie man sich mit Thomas Bernhard und seinem Werk auseinandersetzen darf? Diese Frage stellt sich angesichts eines vom Suhrkamp Verlags mitgeteilten Verbots, heute Donnerstag (5.2.) im Literaturhaus Salzburg eine kommentierte Lesung aus „Der Theatermacher“ zu veranstalten.

In den vergangenen zwanzig Jahren haben wir Ausstellungen, Hörspiel- und Filmvorführungen, Diskussionen, Stadt-Touren und Bernhard-Abende mit professionellen Schauspielern und Experten zu unterschiedlichen Aspekten des Werks organisiert – mit Genehmigung und Bezahlung der Rechte. Was hat sich nun geändert? Warum verbietet Raimund Fellinger, ehemaliger Bernhard-Lektor und Herausgeber beim Suhrkamp Verlag sowie (bis vor wenigen Tagen) Präsident der ITBG in Salzburg, ohne plausible Begründung trotz unbeantworteter Nachfrage plötzlich einem Literaturhaus die Beschäftigung mit Thomas Bernhard?

Kurioserweise hat Bernhards Bruder, Erbe und Nachlassverwalter Peter Fabjan kurzfristig zugestimmt, dass derselbe Schauspieler (Franz Froschauer; er verkörperte 2013 am Theater in Paderborn den Theatermacher Bruscon) aus den autobiographischen Schriften Thomas Bernhards (mit Rechteeinräumung von Residenz und Sessler Verlag) vorträgt.

Die von Suhrkamp-Lektor Fellinger ausgesprochene Untersagung betreffend „Der Theatermacher“ trifft nicht nur das Salzburger Literaturhaus. Fast zeitgleich wurde dem Schauspielhaus Salzburg unter Intendant Robert Pienz ebenfalls eine geplante Inszenierung des Stücks verweigert. Bereits im März 2011 traf es die renommierte Theatergruppe Cinétheatro um Schauspiel-Profi Charly Rabanser in Neukirchen am Großvenediger im Pinzgau, denen der Verlag die Aufführung von Bernhards „Der Theatermacher“ untersagte, weil: „Das Stück darf nur komplett mit professionellen Schauspielern aufgeführt werden und vorangig an großen Häusern“.

Im Juni 2014 durfte dann die bekannte Schauspielerin Julia Gschnitzer im Literaturhaus in Henndorf nicht aus Werken Thomas Bernhards lesen (die Veranstaltung wird bis heute auf der ITBG-Homepage angekündigt). Und im Juli 2014 verlangte ein Vorstandsmitglied der Thomas-Bernhard-Privatstiftung in Wien plötzlich vom Literaturhaus Salzburg ein Ansuchen um Genehmigung für das Reden über Thomas Bernhard bei der 22. liteRADtour (geführte Radtouren auf den Spuren von Dichtern durch die Stadt Salzburg). Das verwunderte Antwortschreiben des Literaturhaus-Leiters wurde bis heute nicht beantwortet, die Tour fand – wie in all den Jahren zuvor – im September 2014 ohne weitere Beanstandung statt.

Darf man jetzt an Schulen und Universitäten noch über Thomas Bernhard sprechen und forschen? Will man gar das Lesen seiner Werke verbieten? Oder sind es zum Teil willkürliche Entscheidungen, die einmal dieses Theater und ein anderes Mal jenen Literaturveranstalter treffen? Wer entscheidet nun letztlich über eine Bernhard-Lesung? Kann man einen Schriftsteller von Weltrang der Öffentlichkeit entziehen? Wie ist die gültige Rechtslage?

Darüber herrscht laut Gerhard Ruiss, Chef der IG Autorinnen Autoren in Wien, bei Thomas Bernhard tatsächlich Verwirrung. Und das führt immer wieder zu Wirbel. Selbst bei der österreichischen Literar Mechana – die Verwertungsgesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung und Geltendmachung von Urheberrechten, Beteiligungs- und Vergütungsansprüchen an Sprachwerken und Musiknoten mit Sitz in Wien – wird eine komplizierte Rechtslage eingeräumt. Denn während die deutsche Verwertungsgesellschaft Wort für den „deutschen“ Thomas Bernhard (beim Suhrkamp Verlag) zuständig zu sein scheint, kümmert sich die Literar Mechana um sein registriertes österreichisches Mitglied (die „Autobiographischen Schriften“ Bernhards etwa sind beim Residenz Verlag erschienen). Die Schutzfrist für geistiges Eigentum in Österreich und anderen europäischen Staaten gilt bis siebzig Jahre nach dem Tod des Schöpfers.

Wer ist 2015 für die Rechte bei Thomas Bernhard zuständig: Verlag oder Erbe? Stiftung oder Verwertungsgesellschaften? Und: Sollen mit öffentlichen Geldern geförderte Einrichtungen, die Thomas Bernhards Werk und dessen Verbreitung fördern wollen, ebenfalls öffentlich geförderte Kulturunternehmen einschränken dürfen?

Die Frage, wie all das mit Bernhards letzter Verfügung vom 10. Februar 1989 in Einklang zu bringen ist, drängt sich auf: Weder aus dem von mir selbst bei Lebzeiten veröffentlichten, noch aus dem nach meinem Tod gleich wo immer noch vorhandenen Nachlaß darf auf die Dauer des gesetzlichen Urheberrechtes innerhalb der Grenzen des österreichischen Staates, wie immer dieser Staat sich kennzeichnet, etwas in welcher Form immer von mir verfaßtes Geschriebenes aufgeführt, gedruckt oder auch nur vorgetragen werden. Das steht im Testament des Autors. Gilt Thomas Bernhards letzter Wille für alle – oder doch nur nach Gutdünken?

Die Veranstaltung „Thomas Bernhard: Der Theatermacher“ findet heute Donnerstag (5.2.) wie geplant um 19.30 im Literaturhaus Salzburg statt. Franz Froschauer liest und Manfred Mittermayer kommentiert. Literaturhaus-Leiter Tomas Friedmann wird „zum aktuellen Wirbel“ Stellung beziehen - www.literaturhaus-salzburg.at
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