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In Körben tragen Frauen Eingeweide

GEORG TRAKL / GEDENKJAHR / INTERNATIONALE TAGUNG

07/10/14 „Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter.“ Kein Wunder, schreibt Wolf Haas in „Silentium“, daß ihm ausgerechnet das wieder eingefallen ist, „weil der Brenner hat sich jetzt übergeben müssen.“

Von Heidemarie Klabacher

Übergeben müssen hat sich der Brenner natürlich nicht wegen der paar Zeilen aus einem alten Gedicht, sondern wegen der zerstückelten Leiche vor sich auf dem Boden. Schlachtplatte nix dagegen. Einmal hat der Brenner ja in Salzburg ermitteln müssen und dabei viele Facetten der Stadt an der Salzach entdeckt. Etwa die Marmortafel an der alten Eisenbahnbrücke mit dem eingemeißelten Gedicht „Vorstadt im Föhn“ von Georg Trakl.

„… vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter…“ Ein besonders düsteres Seelenbild? Vielleicht. Sicher aber eine Tatsachen-Beschreibung des Dichters: Dort war „früher“ tatsächlich einmal der Schlachthof... Die alte Eisenbahnbrücke gibt es ja inzwischen nicht mehr und an der neuen modernen Brücke mit ihren gerundeten Fundamenten konnte die plane marmorne Gedichttafel nicht mehr montiert werden. Sie ist denn auch mehrere Jahre irgendwo deponiert gewesen, bis sie endlich wieder aufgehängt werden konnte. Heute müsste der Brenner ein paar hundert Meter vor der Brücke – flussabwärts gedacht – vor einer schlichten Stele stehen, wenn er über den gereimten Wetterbericht mit Smog-Alarm meditieren wollte: „Am Abend liegt die Stätte öd und braun, die Luft von gräulichem Gestank durchzogen…“ Die wunderschöne überaus poetisch-romantische Vision der letzten Strophe hat in „Silentium“ bei besten Willen nicht hineingepasst:

Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen,

Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern.

Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern

Und manchmal rosenfarbene Moscheen.

Trakl beschäftigt natürlich nicht nur spazieren gehende Detektive und Lyrik-Freunde, sondern auch Expertinnen und Experten aus der Literaturwissenschaft. 2014 ist ein „Trakl-Jahr“: Am 3. November gedenkt die Trakl-Gemeinde des 100. Todestages des Dichters. Zahlreiche Veranstaltungen fanden und finden statt. Einer der Schwerpunkte ist eine Internationale Tagung von 8. bis 11. Oktober im Stefan Zweig-Centre auf der Edmundsburg: Zum Thema „Autorschaftskonfigurationen und dichterische Selbstreflexion in Texten und Kontexten Georg Trakls“ sprechen internationale Expertinnen und Experten. Die Tagung wird gemeinsam veranstaltet vom Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg und von der Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte der Salzburger Kulturvereinigung.

„Im Werk Georg Trakls gibt es eine bisher noch nicht systematisch untersuchte Reihe Figuren wie Kaspar Hauser, Elis, Sebastian oder die Figur des Mönches“, sagt die Salzburger Germanistin Uta Degner. Aber etwa auch Trakls besondere Technik des Zitierens aus Werken anderer Autoren öffne zahlreiche Zusammenhänge und Verbindungen. „Ziel der Tagung ist es, diese und andere textinterne Verweise zu analysieren“, so die Literaturwissenschaftlerin. Was ist die ästhetisch-poetologische Funktion dieser Verweise und Zitate? Was wollte Trakl bewirken, vermitteln... „Für ein umfassendes, zeitgemäßes Verständnis von Trakls Dichtung scheint die Beschäftigung mit solchen poet(olog)ischen Reflexionsfiguren umso gewichtiger, als es kaum theoretisch-ästhetische Programmschriften des Dichters gibt“, erklärt Uta Degner. „Der Blick auf die literarischen Mittel, mit denen Trakl dabei gearbeitet hat, könnte auch zu neuen (bisher nicht zufriedenstellenden) Antworten auf die Frage nach Trakls literaturhistorischem Ort im komplexen Gefüge eines sich rapide ausdifferenzierenden Kunst- und Literatursystems führen.“

Die Frage nach dem Verhältnis von Georg Trakl und seiner Schwester Grete etwa beschäftigt Literaturwissenschaft, Psychologie oder Medizin: „Die biografische Forschung berücksichtigt zwangsläufig auch das Umfeld eines Autors. Die Nachforschungen über Grete Langen-Trakl haben viele neue Befunde zu Georg ergeben. Für ein Inzestverhältnis gibt es keinen Beweis“, sagt etwa Marty Bax aus Amsterdam. Sie ist spezialisiert auf die Beziehung von Kunst und Esoterik zwischen 1850 and 1950. Sie werde, so Mary Bax,  bisher unbekannte biografische und dichterische Befunde vorlegen, ein Gedicht, das bisher Grete zugeschrieben analysieren und „behaupten, dass Georg kein Okkultist war, sondern ein rein christlicher Mystiker“.

Insgesamt 21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Österreich, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden werden sich über ihre Forschungen zu Georg Trakl austauschen. Aus Salzburg der Literaturwissenschaflter Werner Michler, die Literaturwissenschaftlerin Uta Degner, Norbert Christian Wolf, der Leiter des Fachbereiches Germanistik der Universität Salzburg und Hans Weichselbaum, der Leiter der Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte der Salzburger Kulturvereinigung. Er wird über das Motiv des „Mönchs“ im Werk Trakls sprechen.

Informationen zur Internationalen Trakl-Tagung und Informationen zu den noch ausstehenden Veranstaltungen im Trakl-Jahr 2014 auf der website der Salzburger Kulturvereinigung - www.kulturvereinigung.com

Bilder: www.kulturvereinigung.com

Zur dpk-Reoprtage über die Suche nach der Trakl-Tafel Trakls Fundamente ausloten

 

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