asdf
 

„Brennerova“ oder Tote Polizisten leben länger

REPUBLIC / LESUNG WOLF HAAS / BRENNEROVA

29/09/14 Wiener Beisl-Stil, verbverschluckende Sätze, Skurrilitäten wohin das Auge blickt – Wolf Haas und sein Brenner sind wieder da. Mit „Brennerova“ erscheint der zweite Brenner-Roman, den es eigentlich gar nicht geben dürfte, ist der kauzige Antiheld doch bereits vor Jahren in „Das ewige Leben“ zu Tode gekommen. Am Freitag (26.9.) las Wolf Haas im Republic.

Von Stefan Reitbauer

Wolf Haas polarisiert. Die einen sind – die apokalyptische Angst vor dem endgültigen Sprachverfall vor Augen – entsetzt, die anderen versammeln sich alle paar Jahre zu kultischen Zusammentreffen, wo gebannt den Worten des Erzählers, dem eigentlichen Helden der Krimis, gelauscht wird.

Man freut sich über Haas´ Geschichten aus dem Leben, würde gerne noch viel mehr über seine schrägen Hobbies (er sammelt grammatikalische Besonderheiten aus Zeitungen – „Wolf Haas liest aus den neuen Roman…“) erfahren und man saugt jede Anekdote über Kaffeehäuser in Wien und diplomatische Erlebnisse in Übersee auf, als befürchte man, es könnte die letzte an diesem Abend sein.

Dabei muss man sich als unerfahrener Haas-Lesungsbesucher schon einmal an Stil und Tempo des Vortrags gewöhnen – es geht rasant zur Sache. Tief über sein Buch gebeugt nuschelt Haas mit bemerkenswerter Ausdauer und Lungenkapazität gebetsmühlenartig die neue Brenner-Litanei ins Mikrofon. Bei jedem „ob du es glaubst oder nicht“ hält er inne, blickt auf – quasi Spannungspause.

Apropos. Wenn man nun im Laufe des Abends mehr über Brenners naive Verstrickungen in den russischen Heiratsmarkt, die Wiener Rotlichtszene (inklusive Latein- und Griechischnachhilfe) und über Hertas Suche nach dem „Krafttier“ erfährt, fällt rasch auf, dass Haas erwartungsgemäß die wohlbekannten Phrasen „aber pass auf“, „quasi“, „ob du es glaubst oder nicht“, etc. in tatsächlich ausufernder Häufigkeit einflicht. Doch leben weder das Buch noch die Lesung von diesen sprachlichen Kleinoden. Der Haas-Fan möchte sie wohl nicht missen, doch schätzt er mehr die grotesken Wendungen, die entlarvenden Abgründe in den Denkmustern des Erzählers. Es wird über die kriminellen Energien von Kindern referiert und über unsympathische Menschen. „Wenn einer schon so schaut, da hab ich ihn schon gefressen.“ Wer fühlte sich da nicht ertappt.

Der Abend endet überraschend und abrupt mitten in den Wirren von vertauschten Händen bei einer Notoperation und unfähigen Rolex-Uhr-Ärzten, bei denen die OP-Schwester die intimsten Tätowierungen aus nächster Nähe kennt. Das Publikum ist zufrieden, Wolf Haas ist es offensichtlich auch. „Brennerova“ erfüllt alle Erwartungen, die die Brenner-Anhängerschaft so hegt. Und man kann über Haas´ Stil denken was man will, es weht wieder ein erfrischender Wind durch die Buchläden und Feuilletons. Wirbelsturm Hilfsausdruck.

Bilder: Lukas Beck

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014