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Kapital.Gesellschaft

RAURISER LITERATURTAGE

03/02/14 Die einen schreiben eine Farce: Marie-Jeanne Urech erzählt von einem börsenorientierten Unternehmen, in dem die Bilanzen mit dem Bleistift gezeichnet werden, die Bleistiftspitzer aber der Einsparung zum Opfer gefallen sind. Ilija Trojanovw dagegen mahnt mit Fakten und Zahlen vor dem konkreten Schicksal als „überflüssiger Mensch“. Deswegen darf er auch nicht in den USA einreisen.

Von Heidemarie Klabacher

005Wie schlagen sich aktuelle Wirtschaftslage, Turbo-Kapitalismus, Finanzskandale und zerplatzende Blasen in der literarischen Arbeit von Schriftstellerinnen und Schriftstellern nieder? Diese Frage steht hinter dem Programm der Rauriser Literaturtage 2014 und ihrem Motto „Kapital.Gesellschaft“.

Manfred Mittermayer und Ines Schütz präsentierten heute Montag (3.2.) im ORF-Landesstudio Salzburg das Programm der 44. Rauriser Literaturtage, die von 26. bis 30. März an den traditionellen Schauplätzen – Gasthof Grimming, Platzwirt oder Heimalm – stattfinden werden.

Goethes „Faust“ erklärt vieles. In der Tragödie zweiten Teil wird das Papiergeld erfunden. Und schon damals war das Zeug nicht allen geheuer: „Die Zauberblätter! ich versteh’s nicht recht“, sagt der Hofnarr. Ähnliches gilt – von Anlagestrategie bis Referenzportfolio – noch immer. Wenn es nicht um die Schilderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruchs einer Familie geht, wie es etwa Thomas Mann in den „Buddenbrooks“ vorexerziert hat, ist die Materie für die Literatur heikel. Nichts Trostloseres, als auf die Bühne gebrachte Vorstands-Sitzungen und dramatisierte Kontoauszüge.

006„Die Literatur hat es nicht ganz leicht, darauf zu reagieren“, sagt Manfred Mittermayer. „Zu abstrakt sind viele der Vorgänge, deren Folgen sich in unserem konkreten Leben niederschlagen. Zu komplex sind die Zusammenhänge, die unsere Welt prägen und dazu geführt haben, dass viele von uns die Funktionsweise des Kapitals, der ‚Zauberblätter’, nicht mehr ‚recht verstehen’.“

Der Autor Robert Menasse wird in Rauris 2014 zu Gast sein: Er habe in seinem jüngsten Werk „Doktor Hoechst. Ein Faust-Spiel“ ein Beispiel für das Weiterwirken eines Goethe-Stoffes bis in die Gegenwart und eine Faust-Adaption im Zeichen des grenzenlosen Wachstums vorgelegt. Ebenfalls einer der Autoren, „die zum Thema Politik wirklich etwas zu sagen haben“, ist Josef Winkler, der in der Form der Litanei gesellschaftliche und politische Miss-Stände beschreibt. Noch nicht so bekannt, aber ebenfalls eine scharfe Sozialkritikerin ist Marie-Jeanne Urech, die in Rauris ihr Buch „Mein sehr lieber Herr Schönengel“ vorstellen wird: eine „herrlich schräge Vision eines Börsensturzes.“ Wie ein Familienunternehmen die dazugehörige Familie zerstören kann, erzählt dagegen Nora Bossong in ihrem Roman „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“.

Diese Autorinnen und Autoren – Bossong und Urech sowie Menasse und Winkler stehen exemplarisch für den dramaturgischen Grundgedanken von Ines Schütz und Manfred Mittermayer: Sie wollen im Programm der Rauriser Literaturtage weiterhin die Balance finden zwischen namhaften längst berühmten und jungen aufstrebenden Autorinnen und Autoren.

007Dass die Amerikaner ihnen quasi den „Gefallen“ getan haben, Ilija Trojanow wegen seiner aufrührerischen Schreiberei nicht in die USA einreisen zu lassen, ist natürlich ein Zufall. Sie hätten, so Schütz und Mittermayer, Trojanow zum Zeitpunkt des Einreise-Skandals schon längst für die Rauriser Literaturtage engagiert gehabt.

Von der Programmstruktur her bleiben die Rauriser Literaturtage weitgehend gleich. Ein Nachmittag ist der Lyrik gewidmet (mit Andrea Grill, Sabine Gruber und Fiston Mwanza Mujila). Gespräche über Literatur haben ebenso ihren Platz, wie die Lesungen. Das traditionelle „Gespräch über Kindheit“ mit Brita Steinwendtner wird ebenfalls wieder stattfinden. Besonders freuen sich Manfred Mittermayer und Ines Schütz darüber, dass heuer erstmals Studierende der Germanistik-Instituten aller Österreichischen Universitäten in Rauris zu Gast sein werden.

Landesrat Heinrich Schellhorn gab die Rauris-Preisträger bekannt: Den mit 8000 Euro dotierten Rauriser Literaturpreis 2014, der vom Land Salzburg vergeben wird, erhält die Schriftstellerin Saskia Hennig von Lange für ihren Debütroman „Alles, was draußen ist“, der 2013 im Verlag Jung und Jung erschienen ist. Den mit 4000 Euro dotierten Rauriser Förderungspreis 2014, der vom Land Salzburg gemeinsam mit der Marktgemeinde Rauris vergeben wird, erhält Renate Aichinger für ihren Text „Amaurose“. Dieser Text sei von der Jury einstimmig aus den Einreichungen zum Thema „Zeitgeist“ ausgewählt worden.

Rauriser Litertaturtage: 26. bis 30. März - die neu gestaltete website der Rauriser Literaturtage mit allen Terminen und Informationen - www.rauriser-literaturtage.at
Bild: Rauriser Literaturtage / Ayse Yavas (1); Inspiranto (1); Zsolnay Verlag / Michèle Pauty (1)

 

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