Das Leben erzählen und verschweigen

RAURISER LITERATURTAGE / LEBENS.WEGE

05/02/13 „Wir wollen nicht schlagartig alles ändern, wir sind nicht als Troubleshooter gekommen. Wir wollen eine Erfolgsgeschichte fortschreiben.“ Manfred Mittermayer und Ines Schütz präsentierten das Programm der 43. Rauriser Literaturtage, die von 3. bis 7. April stattfinden werden.

Von Heidemarie Klabacher

Der Programmfolder ist grafisch ein wenig übersichtlicher geworden. An den Hauptabenden wird es künftig nur mehr drei Lesende geben, damit man eher im Zeitplan - vor allem aber, damit mehr Zeit für Gespräche mit den Autorinnen und Autoren bleibt. Aus diesem Grund werden auch die Einführungen und Vorstellungen künftig kürzer ausfallen: Es soll mehr Möglichkeiten geben, mit den Autoren über ihre Bücher und über Literatur überhaupt zu reden, „zu diskutieren, vielleicht auch einmal im positiven Sinn zu streiten“. „Auseinandersetzung im Gespräch“ ist das Stichwort, das sich Schütz/Mittermayer in Sachen Literaturvermittlung gegeben haben: Nach den Lesungen soll das Publikum stärker als bisher mit den Autorrinnen und Autoren und ihren Büchern in Kontakt treten können.

Die dem Rauris-Publikum über Jahrzehnte lieb und vertraut gewordenen Programmschienen wird es weiterhin geben: die drei Abendlesungen vor großem Publikum, die Störlesungen bei Rauriser Familien, die Schreibwerkstätten für Rauriserinnen und Rauriser, die Angebote für die Rauriser Schulen und die Gesprächsforen für die Studenten aus Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Wien – und natürlich das beliebte „Gespräch über Kindheit“, das Brita Steinwendtner entwickelt hat und auch heuer wieder führen wird.

Zu diesem Gespräch über Kindheit kommt neu dazu ein „Gespräch über Literatur“, das Rauris-Intendant Manfred Mittermayer mit dem Salzburger Literaturwissenschaftler und Autor Karlheinz Rossbacher führen wird. Neu ist auch ein eigener Nachmittagstermin für die Lyrik (mit Elke Erb, Ludwig Hartinger und Olga Martynova). Und einen neuen Ort haben die Intendanten Manfred Mittermayer und Ines Schütz ebenfalls aufgetan: Die „Rauris.Mitternacht“, eine bereits etablierte beliebte Programmschiene, findet erstmals in der Michaelskapelle der Rauriser Pfarrkirche statt: Bodo Hell wird erstens seinen siebzigsten Geburtstag feiern – und zweitens aus seinen 34 Miniatur-Nachrufen „unten ist viel platz“ lesen.

Der Wunsch nach höchstens behutsamem Eingreifen in Bewährtes (samt dem Wissen um die Sinnhaftigkeit klarer Strukturen und einhaltbarer Zeitpläne) spricht also aus der „äußeren“ Rauris-Dramaturgie des Intendantenduos Mittermayer/Schütz.

Nun aber zur „inneren“ Dramaturgie: „Lebens.Wege“ ist das Motto der 43. Rauriser Literaturtage. „Die meisten Menschen hätten es gerne, wenn sich in ihrem Leben abgeschlossene Ereignisse logisch aneinanderfädeln“, so Manfred Mittermayer. Aber das Leben ist keine solche Perlenkette, das habe schon Robert Musil gewusst. „Die meisten Menschen sind im Grundverhältnis zu sich selbst Erzähler“, zitiert Mittermayer aus dem „Mann ohne Eigenschaften“: „Sie lieben das ordentliche Nacheinander von Tatsachen, weil es einer Notwendigkeit gleichsieht, und fühlen sich durch den Eindruck, dass ihr Leben einen ‚Lauf‘ habe, irgendwie im Chaos geborgen.“

Das Leben funktioniert aber nicht so einfach – und daher haben Autorinnen und Autoren immer viel zu schreiben: „Noch nie hatte das biografische Genre so sehr Konjunktur wie heute, ob im Sachbuch oder im Film, im fiktionalen Roman oder in der Autobiografie: Stets lassen wir uns von den Lebensgeschichten anderer Menschen in den Bann schlagen.“

Zugleich werde ist in einer immer komplexer werdenden Welt immer schwieriger, von individuellen Lebens-Wegen zu berichten. „Die Autorinnen und Autoren zeigen eindrucksvoll, welch raffinierte Techniken die Literatur entwickelt hat, um die aktuelle Skepsis gegenüber der Erzählung individueller Lebensgeschichten zu vermitteln – und dennoch nicht aufzuhören, diese Geschichten weiter zu erzählen.“

International bekannte Autoren und Autorinnen und Autoren aus Salzburg kommen auch künftig in Rauris zu Wort. Nicht wenige erfüllen beide Kriterien. Wie etwa Walter Kappacher, dessen Buch „Der Fliegenpalast“ (der eine Episode aus dem Leben von Hugo von Hofmannsthal erzählt) in der Nähe von Rauris angesiedelt und so spannend sei, „dass man ihn damit einfach einladen muss“. Einen anderen Salzburg-Bezug gebe es zu Ursula Krechel, deren Roman „Landgericht“ in einem kleinen Salzburger Verlag (Jung und Jung) erschienen sei, „der den großen Deutschen Verlagen immerhin schon zweimal den Deutschen Buchpreis weggeschnappt hat“.

Christoph W. Bauer, Anna Weidenholzer, Jürg Amann, Zsuzsanna Gahse, Peter Kurzeck, Marion Brasch und Michael Köhlmeier werden erwartet.

Der mit 8.000 Euro dotierte Rauriser Literaturpreis geht an Matthias Senkel für sein Roman-Debüt „Frühe Vögel“, eine bizarre Familiengeschichte, eine Art moderner Schelmenroman. Der mit 4.000 Euro dotierte Rauriser Förderungspreis ging an Renate Silberer für ihren Text „Linkshändig such das Reh“.

LEBENS.WEGE - Rauriser Literaturtage 3. bis 7. April - wwww.rauriser-literaturtage.at
Bilder: RLT/INSPIRANTO