Ein Don Quichote der Kritik an seiner Zeit

LITERATURHAUS / LESUNG KARL-MARKUS GAUSS

14/05/12 Man ist einander wohlgesonnen, Publikum, Autor und Veranstalter. In vertrauter Atmosphäre legt Karl-Markus Gauß mit „Ruhm am Nachmittag“ das vierte Journal seiner Reihe humorvoller Selbstbefragungen in Buchform vor. Gauß` unablässige Gedankenschlingen verstehen sich als kritische Anmerkungen: als erstauntes, tief beunruhigtes Gedanken-Angebot an den Leser.

Von Ulrike Guggenberger

Wo immer Karl-Markus Gauß sich befindet, liegen Zettel, Bleistifte, Papier griffbereit, um spontane Gedanken niederzuschreiben, sie später wieder aufzugreifen, weiterzuspinnen, ihnen Form zu geben. Wichtig sei ihm dabei, seinen ursprünglichen Einfällen treu zu bleiben, sie nicht abzuändern, auch wenn ihm möglicherweise Monate später ein unerwartet neuer Gedanke dazu kommt.

Die sprachwissenschaftliche Einführung nimmt auf das literarische Format „diarischer Roman“ Bezug: Als solches hat es sich bereits bewährt, stellt Hans Höller fest, etwa bei Peter Handke oder Gerhard Amanshauser. Unter anderem macht Höller auf die wechselnden Pronomina im Text des Literaten aufmerksam: Karl-Markus Gauß springe vom Ich zum Er, als gäbe es zwei Personen, „als würde er hinter sich stehen und sich bei seiner reflektierenden Rückschau auf Erlebtes selber beobachten“.

Es geht dem schreibenden Gedankensammler nicht um die absolute Wahrheit, nicht um Perfektion, sondern um persönliche Aphorismen zu Politik und Gesellschaft seiner Zeit.

Mitunter formuliert Gauß seine schriftliche Bestandsaufnahmen  herb kritisierend, mitunter sich amüsiert wundernd. Gauß` unablässige Gedankenschlingen verstehen sich als kritische Anmerkungen: als erstauntes, tief beunruhigtes Gedanken-Angebot an den Leser, der auf diese Weise zum Selbst-Mitdenken findet.

Motive sind zum Beispiel die Frage nach Berechtigung oder Zumutung, jahrtausende alte Grabstellen vergangener Kulturen zu öffnen, und die Toten ohne Erbarmen unserer grell-medialen Berichterstattung auszusetzen. Gauß hält dies für oberflächliche Respektlosigkeit. Verwundert und erheitert hingegen äußert er sich zu gesellschaftlichen Auswüchsen wie  Kursangeboten zu „Lachtherapien“, die als Heilmittel verordnet, spontanes Lachen ad absurdum führen.

Viel gäbe es noch anzuführen aus dieser Lesung, beispielsweise die mittlerweile hermetisch verschlossenen Fenster in den High-Tech Zügen, die jedwede liebevoll zum Abschied gereichte Hand verunmöglichen.

Karl-Markus Gauß ist von seiner Lesereise zu „Ruhm am Nachmittag“ wieder zurück In Salzburg. Ein Don Quichote der weisen Kritik an seiner Zeit. Ein so vornehmer wie leidenschaftlicher Kämpfer gegen Windmühlen. Oder wie Hans Höller es ausdrückt. „Ein Ritter von der traurigen Gestalt.“ Gauß vermisst ein breites Bürgertum, das Bildung und Ausbildung nicht miteinander verwechselt und ersteres nicht ersatzlos streicht.

Bild: LH/Kurt Kaindl