„Nauz“ heißt „Futtertrog" auf Ladinisch

RAURISER LITERATURTAGE

23/03/12 „Mein Vater gab mir das Geld, das ich beim Arbeiten in einer Fabrik während des Sommers verdient hätte, damit ich stattdessen lese. Heute schämen sich die Menschen dafür, gebildet zu sein.“ Das sagte Karl-Markus Gauß am Donnerstag (22.3.) bei seiner Lesung auf der Heimalm in Rauris. Ein Höhepunkt: Die ladinisch und italienisch geschriebenen Gedichte von Roberta Dapunt.

Von Stephanie Binder

Zuvor aber, noch im Tal, begeisterte Elke Laznia, die heurige Förderpreisträgerin, die Zuhörerschaft mit ihrem inneren Monolog „Blinde Fenster“. Mit leiser, geradezu lyrischer Stimme gelesen, zuckten Laznias Worte durch den abgedunkelten Platzwirt und erzeugten eine fast gespenstische Stimmung. Unter 43 Einsendungen sei die Wahl schnell auf die junge Schriftstellerin gefallen, die erst wenige Werke veröffentlicht hat: „Wir waren uns noch nie so einig über einen Text“, sagte Sylvia Treudl in ihrer Laudatio und bezeichnete Laznias assoziatives Schreibwerk mit autobiografischen Zügen als „hingeworfenen Trotz“ gegenüber einer traumatischen Kindheit und Jugend.

„Es sind nicht die liebenden Menschen, die prägen“, schreibt Laznia. Die junge Kärntnerin lege, wie Maja Haderlap, „ihre Finger auf Wunden“, so Sylvia Treudl. Elke Laznia verriet, dass sie den Text bereits vor der Förderpreisausschreibung zum Thema „Rede an mich selbst“ auf’s Papier gebracht hatte: „Manchmal ist das Schreiben schneller als der Herzschlag, wie ein Erbrechen.“ Ob sie auch weiterhin literarisch tätig sein wird? Man hofft es!

Gegen Abend führte das Programm des Donnerstags der Rauriser Literaturtage (22.3.) seine Gäste mit einer Gondelfahrt auf die nahe Heimalm. Unter den großen, hölzernen Balken des Dachstuhls hörten sie den fesselnden Lesungen von Karl-Markus Gauß und Monika Helfer, Peter Stamm und Roberta Dapunt zu. Manfred Mittermayer, Hans Höller und Angelika Overath führten die Zuhörer durch den Abend und spürten dem diesjährigen Thema der Rauriser Literaturtage - „Die Erfindung der Wahrheit“ – nach.

Sind wir selbst ständige Erfinder unserer Wahrheit? Existiert die Wahrheit außerhalb unserer Sprache? „Zwischen Literatur und Psychologie besteht seit jeher ein enges Geben und Nehmen“, erklärte Manfred Mittermayer. Hans Höller sprach mit Karl-Markus Gauß darüber, wie dessen Eltern seinen literarischen Werdegang beeinflusst hatten. „Mein Vater gab mir das Geld, das ich beim Arbeiten in einer Fabrik während des Sommers verdient hätte, damit ich stattdessen lese. Heute schämen sich die Menschen dafür, gebildet zu sein“, so Gauß. Seine Leser brauchen übrigens nicht mehr lange geduldig zu sein, das Manuskript für sein nächstes Buch ist bereits fertig.

Mit schöner rauer Stimme las Monika Helfer aus ihrem neuen Erzählband „Die Bar im Freien“ und verblüffte die Zuhörer mit einer Sprache, die im einen Moment zum Weinen, im nächsten schon wieder zum Lachen bringt. Peter Stamms Lesung aus „Seerücken“ erfreute nicht nur durch die Erotik der Stamm’schen Sprachbilder, sondern besonders auch durch seine Gabe, das Besondere und Aufregende des Alltäglichen sichtbar zu machen.

„Nauz“ – ladinisch für „Futtertrog“ - heißt der neue Gedichtband einer der interessantesten Schriftstellerinnen der Rauriser Literaturtage 2012, Roberta Dapunt. Ihre Gedichte, die sie in ladinischer und italienischer Sprache schreibt, wirken wie ein Wortgeflecht, in das sie ihr bäuerliches Leben, die Natur, Politik und Geschichte kunstvoll einwebt. Schade nur, dass sie lesen musste, als das Publikum bereits müde und erschöpft war. „Für das Schreiben von Gedichten braucht man vor allem Bescheidenheit“, sagte Roberta Dapunkt. Man hätte ihr den ersten Platz in der Lesungs-Reihe von Herzen gewünscht!

Eindrücke aus Rauris

Von Juliane Köhler - Kaiserwetter rahmt diese eindrucksvollen Tage, in denen viel gesprochen, gefragt, gelesen, gesucht und verstanden wird. Das wunderschöne Dorf Rauris bietet genau das richtige Zuhaue für Literatur und ihre Interessierten. Ein ergibiges Feld besonders auch für die Studierenden aus Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Wien: Der studentische Arbeitskreis der Universität Wien leitete heute Freitag (24.3.) weiteren vielversprechenden Tag ein. Monika Helfer, die schon gestern Donnerstag (23.3.) mit ihrer Lesung beeindruckte, stellte sich offen all den Fragen der Studierenden - und animierte alle Anwesenden zum Zuhören und Mitdenken. Monika Helfer schreibt in ihren Geschichten über das Leben und die Menschen, über Schmerz und Irritationen - einfach Geschichten, die in den Bauch fahren. Sie sei eine Autorin, sagt sie, der die Geschichten zufallen, sie konstruiere sie nicht. Lücken in den Geschichten lassen Platz für Interpretation: "Denn wenn man es nicht weiß, kann man es erfinden."

Für DrehPunktKultur berichten aus Rauris wieder Studierende von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung "Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2012)" am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.

Die Rauriser Literaturtage dauern noch bis Sonntag (25.3.) - www.rauriser-literaturtage.at
Bilder: www.rauriser-literaturtage.at