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Liebesmüh’ und Perversion

LITERATURHAUS / HABRINGER, POPP

08/04/11 Engel bevölkern ansonsten ja gerne Bücher, die dem Trivialen verdächtig nahe stehen – man denke an Robert Schneiders „Die Luftgängerin“. Rudolf Habringer und Fritz Popp stellten im Literaturhaus ihre voluminösen neuen Romane vor, die beide himmlische Wesen im Titel tragen.

Von Harald Gschwandtner

„Engel zweiter Ordnung“ – das erinnert zuerst einmal an zwielichtige Veröffentlichungen aus dem Esoterik-Milieu. Doch wird man schnell eines Besseren belehrt: Zum einen handelt es sich beim Titel um ein leicht verfremdetes Zitat aus den Tagebüchern Franz Kafkas, zum anderen bei Habringers neuem Roman (Picus) um einen so vielschichtigen wie klug komponierten Text mit nicht geringem Ironiepotential.

Im Zentrum der Handlung steht Arnold, Universitätsprofessor in Regensburg, der nach vielen Jahren einer unspektakulär-gleichförmigen Existenz per Zufall (oder Schicksal?) nach einem Vortrag vor „einer Schar möglicherweise sogar einfältiger und ein bisschen rührender Stifter-Verehrer“ auf seine Jugendliebe Katharina trifft.

Nachdem er einen Privatdetektiv engagiert hat, um Katharinas Adresse herauszufinden, ist es „um ihn geschehen.“ Kühn stürzt sich Arnold in ein amouröses Abenteuer, verschickt Adolf Muschgs „Liebesgeschichten“ an die nun wieder Angebetete – und es kommt zu einem Wochenende im grenznahen Tschechien. Weil sich das Geschäft mit dem Privatdetektiv jedoch als nicht so harmlos und einfach herausstellt wie gedacht, dynamisiert sich die Handlung zusehends. Die nicht selten heitere akademische Milieustudie wird zu einer packenden Kriminalgeschichte.

Er habe versucht, so der Autor vor seiner Lesung am Donnerstag (7.4.), den Figuren, aus deren Sicht die drei Kapitel erzählt sind (Arnold, Privatdetektiv, Katharina), je eigene „Temperaturen“ oder „Atmosphären“ zuzuordnen. Darin zeigt sich nicht zuletzt die Wandlungsfähigkeit von Habringers literarischem Ton. Verfolgt man die Chronologie seiner Romane seit dem „Fragensteller“ (1992), so zeigt sich vor allem eins: Keiner gleicht dem anderen. Womit auch der endgültige Beweis für die Haltlosigkeit des Trivialitätsverdachts erbracht wäre.

Fritz Popp war es vorbehalten, im zweiten Teil des Abends seinen Roman „Keine Engel“ (Edition Tandem) zu präsentieren. „Figuren, die seltsam sind“, habe er zeichnen wollen – „und nur eine von ihnen ist in Behandlung.“ Eine solche würde wohl auch anderen nicht schaden: Kaum jemand wird in diesem Text mit seinem Leben fertig, sei es Pater Franz, der beständig versucht, Dämonen auszutreiben und dabei selbst von der fleischlichen Sünde nicht lassen kann, oder Blaschke, der sich als Sonderschullehrer einst an jungen Knaben vergriffen hatte und von seinen Lüsten alles andere als geheilt erscheint.

Keiner ist in diesem dichten Salzburger Sozialpanorama „ein Engel“; religiöses Personal tummelt sich zwar hier zuhauf, die zugehörigen Tugenden lässt es allerdings weitgehend vermissen.

Die Erzählstränge kommen rasch zueinander: Salzburg ist, so legt es der Roman nahe, eben doch nur ein etwas umfangreicheres Dorf, denn beständig laufen sich alle über den Weg, treffen sich in der Gaststätte oder im Schuhgeschäft. Religiöse wie weltliche Phantasien und Komplexe verschiedenster Art sind es, die die erzählte Welt dominieren: Sünde, Schuld und die Angst vor Bestrafung treiben die Menschen um und durch Salzburg. Der Zugriff des Erzählers auf die präsentierte Welt pendelt zwischen gesellschaftskritischer Heiterkeit und schonungsloser, manchmal ins Denunziatorische abrutschender Darstellung der psychischen Struktur diverser Perverser.

Trotz "Engelstitel" also relativ wenige Gemeinsamkeiten, wenn auch beiden Romanen ein Grad von Lokalkolorit anhaftet, der den ‚Insider‘ freut, die Texte aber wohl leider außerhalb Österreichs etwas schwerer vermittelbar macht. Nichtsdestotrotz zeigte der Abend, dass ein Blick abseits der Programme der ‚großen‘ Verlage immer lohnenswert ist.

Bilder: Literaturhaus Salzburg

 

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