Wie das Leben so einfach geht

HINTERGRUND / PERLEN-REIHE

09/03/11 Da flattert wie aus heiterem Himmel die Nachricht in die Redaktion: Die „Perlen-Reihe“ ist wieder aktiviert worden, und nach sechsjähriger Pause erscheinen drei Bände. Worum es diesmal geht? Patiencen, Tarock und Bridge. Fröhliche Nostalgie und Anlass, ein wenig zurückzublättern in diesem Kapitel österreichischer Nachkriegs-Kulturgeschichte.

Von Reinhard Kriechbaum

altDer Band 614 war einer der Bestseller: Zwischen 1958 bis 1970 hat es der Titel „Perfekt tanzen“ auf vierzehn Auflagen und rund 100.000 verkaufte Exemplare gebracht. Auch ausgefallenere Titel, etwa „Jiu Jitsu und Judo. Hilf dir Selbst!“ erreichte acht Auflagen mit 44.000 Exemplaren. Dagegen nimmt sich die Anleitung „Wir fahren nach Jugoslawien“ mit drei Auflagen und vom Ende der fünfziger bis in die frühen achtziger Jahren rund 20.000 verkauften Stück beinahe schlapp aus. Aber Deutsche und Österreicher sind eben immer schon lieber nach Lignano, Caorle oder Jesolo gefahren …

Nichts, was es in der Perlen-Reihe, der Urmutter aller Ratgeber-Literatur, nicht gegeben hätte. „Kraftfahrer, prüfe Dich selbst!“ – das war in den fünfziger Jahren ein Highlight für jene, die ihre gesparten Nachkriegsgroschen in einen 2CV oder in einen Volkswagen investiert hatten und nun der Führerscheinprüfung entgegen zitterten. Ging es darum, Shakes für die Hausparty zu mixen, in Gesellschaft geeignete Witze parat zu haben, den Fahrradschlauch zu flicken oder sich selbst das Schachspielen beizubringen: Von der Perlen-Reihe wurde man nie und nimmer im Stich gelassen.

altAnhand der Titel und Themen könnte man eine wunderbare Kulturgeschichte des „Common sense“ der Wiederaufbaugeneration schreiben: über Freizeitgestaltung, das Do-it-Yourself, das Verhalten auf dem glatten gesellschaftlichen Parkett. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich gut, dass er – nachdem er einen Tischtennistisch als Geschenk erhalten hatte – natürlich in der Perlen-Reihe fündig wurde, um sich in die Regeln und die Tricks des Ball-Schneidens einzulesen. Glücklicherweise war für ihn die „Kochkunde für Junggesellen und Strohwitwer“ nie ernsthaft ein Thema.

altMit dem Wiener Adalbert Pechan (1906-1960) ist die Perlen-Reihe untrennbar verknüpft. Eigentlich war er ja Süßwarenhandelsvertreter. Aber nach seiner Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft fand er in dem Beruf kein Arbeitsfeld, wurde Drucker und brachte 1948 mit den „Neuen Fußballregeln in Österreich“ der erste Band der Perlen-Reihe heraus. Später firmierte dieses Heftchen als Nummer 621, wie überhaupt die Nummerierung wenig aussagt über die Reihenfolge des Erscheinens. Ab 1950 hatte Adalbert Pechan seinen eigenen Verlag. Der Herausgeber suchte die Autoren, betreute die Manuskripte, kümmerte sich um Umschlaggestaltung, Druck, Auslieferung und Werbung. Auch das legendäre Logo mit der Querschraffur hat er selbst gezeichnet.

„Das Hochzeits-ABC“ oder „Der Tod sitzt im Darm“, „Der Geschäfts- und Privatbriefsteller für jedermann“ oder „Stammbuch-Verse und Blumensprache“, „Einfrieren und Tiefkühlen“ oder „Aquariumfreund, gib acht!“ – wer gesucht hat, hat garantiert gefunden. Innerhalb weniger Jahre war die Perlen-Reihe nicht nur in Österreich als Ratgeber-Taschenbuch-Verlag zum Standard geworden, sie war ein früher Vorläufer der Ratgeber-Flut ebenso wie des Pocket-Formats.

altDie besten Bücher vertrieb Adalbert Pechan nicht nur über den Buchhandel, sondern - zum Missfallen der Wirtschaftskammer - auch über Direktabnehmer wie etwa Bahnhofskioske oder Fahrschulen. Bis zum Tod Pechans (1960) waren schon drei Millionen Exemplare verkauft worden. Seine Witwe Hedwig Pechan führte das Unternehmen bis 1970 weiter, dann war eine Druckerei Hirsch in Stockerau Herausgeber. Lange und beharrlich hat man sich dem graphischen Zeitgeist widersetzt. Als dann nacheinander Verlage wie Deuticke, Ernst Klett und Zsolnay die Ratgeberbüchlein übernahmen, war Erneuerung angesagt, und das nicht zum Vorteil der Sache. Bald nach der Jahrtausendwende ist die Perlen-Reihe sanft entschlummert.

Es hat schon seinen Grund, dass die Wiener Buchhändlerin und Verlegerin Ulla Harms jetzt wieder zurückgreift auf das originale Format (105x148 mm), auf ein vom original nicht so weit entferntes Logo und natürlich auf den weichen Karton-Einband. „Softcover“ heißt so etwas heutzutage.

Die ersten neuen Büchlein sind in Wirklichkeit Wiederauflagen von Klassikern: „Die schönsten Patiencen“ erleben die 35. Auflage, „Tarock“ die zweiundzwanzigste, „Das Bridge-Handbuch“ immerhin auch die fünfte. Bald soll auch "Perfekt tanzen" in der 17. Auflage wieder erscheinen, und "Laufen in Wien" (eine Erstveröffentlichung) soll die Stadt-Jogger ansprechen. Jetzt wird auf schadstoffarmes Papier gedruckt, man produziert, wie es in einer PR-Aussendung heißt, „nach den Anforderungen des modernen Umweltschutzes“. Klar, wie immer ganz vorne dran, die Perlen-Reihe …

Johannes Bamberger: Tarock - Die schönsten Varianten (Perlen-Reihe Band 640, 22. Auflage)
Rudolf Heinrich: Die schönsten Patiencen. (Perlen-Reihe Band 641; 35. Auflage)
Johannes Bamberger: Das Bridge-Handbuch (Perlen-Reihe Band 663; 5. Auflage)
Bilder: aktuelle Angebote bei ebay (2); Perlen-Reihe (2)