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Er denkt quer und trägt rote Socken

LITERATURHAUS / KLAUS WAGENBACH

19/11/10 „Man darf nie spekulativ veröffentlichen, man muss immer dahinter stehen“, sagte Klaus Wagenbach am Mittwoch (17.11.) im Literaturhaus. Der 80jährige Verleger, Autor, Lektor, Redenschreiber war zu keiner Zeit Mitläufer in der Politik. In Salzburg las er aus dem Buch "Die Freiheit des Verlegers".

Von Ulrike Guggenberger

Klaus Wagenbach war immer ein scharfsinniger Mitstreiter und von ihm geht auch im hohen Alter noch eine lebhafte, dem Publikum zugewandte Ausstrahlung aus. Klare Aussagen, eine raue Stimme.

„Wie lange werdet ihr brauchen, um über das, was ich sage, nicht mehr empört zu sein“ (Erich Fried) – mit diesem Zitat und mit der Frage „Worüber ist man heute überhaupt noch empört“, führte Tomas Friedmann ein. Der Name Erich Fried fällt an diesem Abend mehrere Male in freundschaftlicher Zuneigung.

Klaus Wagenbach las aus seinem jüngst im eigenen Verlag erschienen Band „Die Freiheit des Verlegers“. 1964 hatte er dieses Unternehmen in Berlin gegründet - keinen „Publikumsverlag“, sondern einen „Meinungsverlag“, wie Wagenbach betont. Kein Zweifel, darüber gibt der Untertitel des vorliegenden Werkes Bescheid: „Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe“. Mit Festigkeit, beißend-liebenswürdig, humorig-sarkastisch – jeder der Anwesenden konnte die Haltung des Lesenden, von jeher angesiedelt im linken Lager, mit jedem geschriebenen und gesprochenem Wort nachvollziehen. Das Bekenntnis eines Querdenkers, im Leben wie in der Politik.

Er schreibt über jene Jahre, in denen Deutschland „ein Land der Adressen von Mördern

war“. Erzählt von einem Schriftstellertreffen in jener Zeit, die „lautstark, aber textschwach“ von sich reden machten. Klaus Wagenbach blickt zurück in mildem Zorn, steht heute längst über den Dingen, bringt das Publikum zum Lachen mit einem berüchtigten Verleger-Satz: „Ich habe alles gelesen, aber nicht persönlich“.

Leidenschaftlich bekennt er sich zur italienischen Lebensart und hebt sich berechtigt, als Mitbegründer der Toskana-Fraktion, vom Durchschnitt ab. Dass Klaus Wagenbach bereits in eine Familie eigenständig Denkender hinein geboren wurde, lässt sich an der feinsinnigen Erzählung über seine Mutter und seinen Großvater gut begreifen.

Jemand aus dem Publikum bat ihn, aus der Rede für Will Brandt zu lesen, so konnte man auch den Redenschreiber Klaus Wagenbach kennen lernen. Ein so sprachzauberisches wie klares Bekenntnis zur Person des Politikers Willi Brandt, der sich für den Wiederaufbau stark machte und voll Neugier für die neue junge Generation, die jenseits der nationalsozialistischen Ära aufwuchs.

Ein paar Daten machen verstehen, warum Wagenbach die Aura des Widerständigen anhaftet:

1965 verlegt Wagenbach Wolf Biermann und erhält Einreiseverbot für die DDR, er veröffentlichte das RAF-Manifest und wurde dafür zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. 1975 wurde er wegen Beleidigung und übler Nachrede zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er den Polizisten Karl-Heinz Kurras, der Benno Ohnesorg getötet hatte, als Mörder bezeichnet hatte.

Heiterkeit, Weisheit, Verständnis, stichelnde Ironie, Klaus Wagenbach lässt sich nicht einfangen. Er ist der, der er ist, er liebt Franz Kafka, dessen Werke er als „Dienstälteste Witwe Kafkas“ herausgegeben hat, lebt in der Toskana und trägt rote Socken.

Bild: Literaturhaus

 

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