Krankheitsbedingte Ausfälle sind in Zeiten wie diesen nichts Neues. Dennoch verblieben wir mit einer gewissen Enttäuschung, als wir erfuhren, dass wir unser Gespräch mit der Preisträgerin des Rauriser Literaturpreises 2022 – Anna Albinus – via Bildschirm führen werden müssen. Die Anspannung stieg. Auch aufgrund verkürzter Vorbereitungszeit. Ein Vorbereitungsgespräch und eine kurzfristige Umdisponierung später fanden wir uns alle im leider längst allzu vertrauten WebEx-Raum ein. Das Steife, Distanzierte, das Videokonferenzen sonst mit sich bringen, wich diesmal fast wundersam einer gewissen Nähe: „Nennt mich bitte Anna!“ Anna Albinus gewinnt sofort die Herzen der Studierenden der Uni Salzburg. In aller Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit beantwortet sie unsere Fragen – oder auch nicht. Den krönenden Abschluss des Ganzen bildete die Videoübertragung unseres Gesprächs am Donnerstag (31.3.) ins Mesnerhaus in Rauris.
Als sich alle im rustikalen Saal mit Holzgebälk und historischem Mauerwerk eingefunden hatten, folgte der ebenfalls gestreamten Lesung vom Eröffnungstag nun das aufgezeichnete Gespräch mit Anna Albinus. Wer schon einmal in einem Raum voller Kultur- und Literaturinteressierter sitzen durfte und sich auf einer meterhohen Beamer-Leinwand selbst im Gespräch mit einer ebenso eloquenten wie sympathischen Literaturpreisträgerin zusehen musste, kann sich vielleicht vorstellen, dass die Stimmung unter uns Studierenden nicht ganz so entspannt war, wie man vielleicht meinen würde. Das Gespräch war ja bereits erledigt. Aber in der zweiten Reihe des sonst so bequemen Saals sitzend, fand man nun dauerzuckende Beine, unruhige Händen, vom aufragenden Bildschirm abgewandte Augen, die eine oder andere Grimasse (zum Glück unter der FFP2-Maske halb versteckt) und auch ein paar erleichterte Gesichter à la „Wenigstens muss ich gerade nicht vor den ganzen Menschen auf der Bühne sitzen.“
Nervosität beiseite. Ins persönliche face to face-Gespräch mit Anna Albinus konnten wir leider nicht kommen. Aber, seltsamer Trost (mit dem sich auch Manfred Mittermayer an uns Studierende wandte): Auch die Autorin hat ihren Verleger nach zwei Jahren Zusammenarbeit noch nie persönlich treffen können.
Auch längere Stille zwischen den Fragen – ein Charakteristikum der Online-Kommunikation - vertrieben die Autorin weder aus dem WebEx-Raum, noch litt die Ergiebigkeit des Gesprächs. So konnten wir zum Beispiel in Erfahrung bringen, wie die Novelle Revolver Christi ihren Ursprung in einem skurrilen Bild in einem unscheinbaren Wiener Schaufenster gefunden hat. Außerdem haben wir die Natur der Religion zu ermitteln versucht und Anna über ihr theologisches Grundverständnis ausgefragt – mehr oder weniger mit Erfolg. Auch ihren Hintergrund als Lyrikerin und eine daraus folgende Wichtigkeit des Klanges bzw. des Rhythmus‘, der ihre Schreibsprache ausmacht, konnten wir diskutieren. Als „Schmankerl“ wurde uns sogar ein kleiner Hinweis auf eine mögliche Fortsetzung gewährt – wir warten gebannt.
Wir hatten das Vergnügen, auch unser eigenes Bild über die facettenreiche und ausgeklügelte Novelle zu hinterfragen und ein viel tieferes Verständnis für unseren eigenen Status als Suchende zu erlangen. Eine Kriminalgeschichte, eine theologisch-literarische Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Gewalt und Religion, eine ins Geschehen (was auch immer das Geschehen ist) eingebettete Familiengeschichte und vor allem eine Vielzahl an offenen Fragen – all das und mehr bietet das Erstlingswerk von Anna Albinus. Wir freuen uns auf zukünftige Texte!