In Bali und in Sumatra
LESEPROBE / FERDINAND AICHHORN
16/03/16 Er stellt Textilien aus exotischen ländern nicht nur regelmäßig in seiner „textil-kunst-galerie“ in der Salzburger Steingasse aus: Ferdinand Aichhorn, vom Brotberuf Architekt und Raumplaner, ist Reisender und Sammler. Und so weiß er zu vielen Stoffstücken auch eine individuelle Geschichte zu erzählen. Und nicht selten hat er die Menschen gekannt, die gerade diese textilen Kunstwerke erzeugt oder getragen haben.
Von Ferdinand Aichhorn
Meine Leidenschaft für asiatische Textilien begann 1977 mit dem Geringsing. Im Rahmen einer Batik-Ausstellung in Jakarta, zu der die Galerie Smend in Köln meine erste Frau Brigitte eingeladen hatte, haben wir in Yogyakarta die Künstlerin Kartika Affandi kennengelernt. Sie hat uns empfohlen, unbedingt Tenganan in Ostbali zu besuchen. Mit ihrer Empfehlung hatten wir die Gelegenheit, einige Zeit den Alltag in dem alten Aga-Dorf miterleben zu dürfen.
In diesen Tagen fand eine Initiationsfeier für Jugendliche statt, alle waren bekleidet mit braunrötlichen Gewändern, Frauen und Männer, Mädchen und Buben. Diese Gewänder, so wurde mir gesagt, werden im Ort hergestellt, gesponnen, gefärbt und gewebt. Solche Gewebe, genannt Geringsing, was so viel bedeutet wie „nicht krank sein“ – benötigen etwa sieben Jahre für die Herstellung. Die Technik wird „Ikat“ genannt. Ich war sofort davon fasziniert.
Meine Neugierde für die Ikats war geweckt. Ich stellte mir die Frage: Wo auf dieser Welt gibt es Menschen, die Ähnliches herstellen und wie leben sie? In den folgenden Jahren habe ich mein Büro für Raumplanung so organisiert, dass ich jedes Jahr im Winter mit meinem Rucksack allein einige Wochen in Asien verbringen konnte. Ich begann, indonesische Inseln zu besuchen. (...)
Von den 14 000 Inseln Indonesiens ist Bali sicherlich die bekannteste. Der Lebensrhythmus der Einheimischen zeigt sich vom Massentourismus aber weitgehend unbeeindruckt, was vermutlich in ihrer Religion, dem Hinduismus, begründet liegt. Tempelfeste und rituelle Gabenbereitungen gehören zum Tagesablauf. So trifft man auf Schritt und Tritt stets auf Ganesh, den Elefantengott, den man fast um alles bitten kann.
In den meisten Boutiquen und Galerien ist es möglich, Textilien aus allen Gebieten des Inselreiches zu kaufen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die Ikattechnik nur an einem Ort, in dem alten Agadorf Tenganan, erhalten hat. Hier werden sehr aufwendige Geringsing-Tücher als Doppelikat hergestellt, das heißt die Musterungen werden vor dem Weben auf Kette und Schuss durch Abbinden aufgebracht. Das Gemeinsame all dieser Textilien sind die gedämpften Farben von Rot bis Rotbraun, Ecru und Schwarzblau. Das Material ist Baumwolle in lockerer Leinwandbindung gewoben. Die Musterung wird aus floralen, geometrischen Motiven und abstrakten Wayang-Figuren gebildet.
Die Geringsing-Tücher werden als Ritualkleidung im Dorf Tenganan auch heute noch verwendet. Sie sollen zudem eine magische Qualität besitzen und Dorf und Bewohner vor Gefahren und schädlichen Einflüssen schützen. Angeblich haben die Hohepriester vom Muttertempel Besakih schon vor langer Zeit Geringsing-Tücher bei den Zeremonien getragen. Daher sehen sich die Priester von Tenganan verpflichtet, das Erbe von Besakhi weiter zu pflegen.
Eine der bekanntesten Tuchformen ist der Wayang-Typus. Das Zentrum bildet ein vierstrahliger Stern mit dem zinnenförmigen „kota mesir“ (=ägyptische Stadt). In den angrenzenden Segmenten werden Wayang-kulit-Figuren in Zweier- und Dreiergruppen dargestellt.
Im Dezember 1991 startete die erste Reise nach Sumatra. Bei den Bataks am Lake Toba verbrachte ich Weihnachten. Der verspätete Monsun verhinderte jegliche Reise ins Landesinnere, so beschloss ich die Inseln im Südosten von Indonesien zu erkunden, Inselhüpfen mit kleinen zweimotorigen Flugzeugen von Jakarta nach Bali, Sumbawe (eine der kleinen Sundainseln) und nach Flores. Dort landete ich im Norden in den Bergen, in Ruteng. Mit den Öffis bzw. Lastwagen begann die Reise über die Insel. Ich besuchte entlegene Bergdörfer wie Nggele, Luba und Bena. In Nggele begegnete ich den schönsten Ikats: von den Frauen dort selbst gesponnen, abgebunden, mit Pflanzen gefärbt und dann gewebt.
Die Textilien der Batak in Nordsumatra im Bereich des Toba-Sees weisen gedämpfte Farben (Blau- und Rottöne) und einfache pfeilförmige Kettikat-Muster auf. Die beiden Ikats sind Schultertücher. Das Material ist Baumwolle in Leinwandbindung.
19 Jahre später, im Sommer 2010, habe ich auf der Insel Flores einige Dörfer wieder besucht und konnte überraschenderweise feststellen, dass sie sich kaum verändert haben und auch vom Tourismus noch nicht zerstört worden sind. Flores weist eine Vielfalt von Ethnien auf, dem entspricht eine große Variationsbreite von Mustern und Farben bei den Textilien. Gewebt wird ausschließlich auf Hüftwebstühlen. Es zeigt sich bei den Mustern ein starker externer Einfluss, insbesondere von den Patolas aus Patan im Bundesstaat Gujarat in Indien.
Sammlung Aichhorn / The Aichhorn Collection. Band I Ikat, Band II Batik, Band III Stickereien/Needlework. Verlag Pustet, Salzburg 2016. Je Band 28 bis 32 Euro, zusammen 79 Euro – www.pustet.at
Am Freitag (18.3.) um 19 Uhr wird in der Ferdinand Aichhorns „textil-kunst-galerie“ (Steingasse 35) die Ausstellung „Saris“ eröffnet. Bei dieser Gelegenheit werden auch die drei Bücher „Sammlung Aichhorn. Ikat - Batik – Stickereien“ präsentiert.