... unermüdliches Gehör für meine Lieder

LESEPROBE / BACHL / VIERZEHN STROPHEN GOTT

22/04/11 „vierzehn strophen gott“ von Gottfried Bachl sind erschienen in der Zeitschrift für Literatur SALZ 143, dem Begleitheft zu den „Rauriser Literaturtagen“. Hier einige Ausschnitte. - Gottfried Bachl war kürzlich in Rauris zu Gast: Der 1932 in Linz geborene katholische Theologe, Dogmatiker und Schriftsteller Gottfried Bachl und der 1932 in Czernowitz geborene jüdische Schriftsteller Aharon Appelfeld führten dort mit Brita Steinwendter das „Gespräch über Kindheit“.

Von Gottfried Bachl

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In gar keiner Weise,
vor niemand und niemals
buckeln.
Jederzeit sich gerade aufrichten
in allen Zuständen.
Nicht mitzujammern,
nicht zum Winseln sind wir da.
Die Sinne seien mit aller Andacht
auf die Welt gerichtet.
In die fatale Predigt von der Nichtigkeit der Dinge
stimmen wir nicht ein.
Wir belauschen das Gras, in
dem die Säfte steigen.
Es ist genug getan,
dass die Ungewöhnlichkeit
der Sandkörner bemerkt werden kann:
Löst eure Saugnäpfe vom Firmament.
Ihr habt den Text der Erde nicht gelesen.
Buchstabiert noch ein wenig.
Hier unten.

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Was habe ich,
wenn ich Gott habe?
Einen Haufen Vorschriften,
einen Gastfreund,
einen Liebhaber des Lebens,
das Abenteuer einer unheimlichen Bekanntschaft,
die belastbarste Adresse für meine Zornausbrüche,
ein unermüdliches Gehör für meine Lieder,
eine geräuschlose Wirklichkeit,
eine Auskunft für meine Fragen
und einen Brunnen für meine Rätsel,
einen Unruhestifter in meiner Seele, eine Instanz,
um die ich nicht herumkomme, einen, der sich
- bei aller Undurchsichtigkeit seines Verhaltens -
herausnimmt,
einmal mein Richter zu sein.
Ich habe Gott habend
auf meiner Seite die blanke Freude
an den unlösbaren Gesichtern
der Schöpfung.

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Scheherezade,
war schön genug,
das Mädchen im arabischen Epos, ihr Leben zu
retten vor dem Messer des Sultans.
Sie erzählt ihm tolle Geschichten
so spannend, so mitternächtlich,
dass sie der furchtbare Mann
schließlich heiratet.

In der biblischen Gottesgeschichte
wird die Methode des Hinhaltens,
die Verlangsamung der himmlischen
Eilfertigkeit in Sachen Strafe
ebenfalls geschätzt und drastisch angewendet.
Scheich Abraham feilscht
mit dem Allmächtigen um
das Schicksal der Schwulensiedlungen
Somdoma und Gomorrha.
Der Patriarch setzt nicht den Eros ein,
er rechnet Jahwe vor,
wie bescheiden er sein könnte
in seinem Willen zur Strafe
und hat keinen Erfolg.

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Was ist die stärkste
Zündung für deine Gottesvermutung?
Die Schönheit,
wenn du eine Sommerwiese siehst?
Ist es eine leuchtende Frau?
reißt dich die Gutheit hin,
für die du keine Worte hast?
Oder imponiert dir die Gewalt der Natur,
ihre kosmische Wucht?
Animiert dich das überallhin dringende Licht?
Das wachsende Können des Menschen?
die zusammenstimmende Kraft der Musik?
Du weißt es nicht zu nennen.
Aber ohne Unterbrechung
brennt die Gewissheit in dir,
dass in diesen Zündungen
die göttliche Macht zu dir spricht,
die sich nicht scheut,
in ihrem Vokabular
das Glück und die Katastrophe zu mischen.

Aus: SALZ Zeitschrift für Literatur 143 März 2011 Begleitheft Rauriser Literaturtage - www.literaturhaus-salzburg.at/Leselampe
Mit freundlicher Genehmigung von Salzburger Literaturforum Leselampe & SALZ
Bild: Rauriser Literaturtage