… noch einmal den Kartoffelkuchen

BUCHBESPRECHUNG / ZU TISCH

23/12/15 Es war eine Rosskur, die der Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia, Gerard van Swieten, seiner pfundigen Klientin angedeihen ließ: Er ließ alle angebotenen Speisen in einen Kübel werfen, schüttete Bier, Wein, Kaffee und Likör drüber und präsentierte diesen kulinarischen Super-GAU der Kaiserin.

Von Reinhard Kriechbaum

„So sieht es jetzt in ihrem Magen aus, Majestät“, erklärte van Swieten. Angeblich soll sich Maria-Theresia, die unmäßig aß, daraufhin etwas eingeschränkt haben. – Das ist vielleicht ein etwas krasses Fundstück aus dem Buch „Zu Tisch“ von Josef Schöchl. Es geht ja um die kulinarische Welt historischer Persönlichkeiten, ums Lustmachen auf den Kaloriengenuss nicht um Abschreckung. Freilich: Nach den Feiertagsmenüs könnte auch heutzutage manchereinem eine solche Kübel-Demo nicht schaden, um ihn wieder zur Ess-Normalität zurückzugeleiten.

Biographische Schmankerln, Anekdotisches um die jeweiligen Ess-Vorlieben – und dazu passende Koch- und Backrezepte. Wie kommt Haile Selassie, der letzte Kaiser Äthiopiens, ausgerechnet zum Wiener Apfelstrudel? Seine Frau war zuckerkrank, und so suchte der „Neguse Negest“ – der „König der Könige“ – nach einer Diätköchin. Er fand die Österreicherin Lore Trenkler, die es im kaiserlichen Palast von Addis Abeba schließlich zur persönlichen Köchin des Kaisers und zur Chefion der Palastküche brachte. Staatsgäste durften mit Apfelstrudel rechnen, der zum Leibgericht des Monarchen wurde. Nach dem frühen Tod der Kaiserin (trotz Diätküche) ging's kalorienmäßig nicht mehr so streng zu dort.

Promis sind im Buch in Menge berücksichtigt, aber auch gut Speisende quasi von der Nebenfront. Und Kochkünstler natürlich auch. Ein gewisser Bartolomeo Scappi“ (1500-1577) galt den Zeitgenossen als „Michelangelo der Köche“. Dass das Konklave 1549/50 zwei Monate dauerte, schrieben Kenner der Lage auch den Künsten dieses päpstlichen Küchenmeisters zu. Die Kardinäle hatten absolut keine Eile, angesichts der Tag für Tag kredenzten Köstlichkeiten. Scappis Kochbuch „Opera“ wurde in der Renaissance etwa zu dem, was später in Österreich das legendäre Buch der Katarina Prato wurde. Die fehlt übrigens im Buch, unter „P“ findet man dafür Luciano Pavarotti, Marco Polo, Madame Pompadour und Alexander Puschkin. Auf letzteren folgt im Alphabet Julius Raab. Der österreichische Bundeskanzler war jener, der die Knackwurst zur „Beamtenforelle“ adelte. Möglicherweise ist ihm diese Bezeichnung seiner Lieblingsspeise sogar selbst eingefallen, aber das ist nicht gesichert.

Kaiser Nero hatte eine vegetarische Lieblingsspeise: Der Lauch hatte es ihm angetan. „Porrophagus“ – Porrefresser – spotteten seine Zeitgenossen. Der legendäre Feldherr und Konsul Lucius Licinius Lucullus war zu dem Zeitpunkt schon gute hundert Jahre tot. Der wurde als grandioser Gastgeber gerühmt. Der Weichselauflauf ist ihm im Buch zugeordnet: Auf einem der Feldzüge hatte er in Kleinasien die Sauerkirsche gekostet und dieses Obst in Rom heimisch gemacht.

Bei Karl May war es nicht schwer, ein Lieblingsgericht auszumachen. Erdichtete: „Hast Du mich lieb, musst Du versuchen / Noch einmal den Kartoffelkuchen. / Ich zeig mit Telegraph Dir an, / Wenn ich ganz sicher kommen kann.“

Josef Schöchl: Zu Tisch. Die kulinarische Welt historischer Persönlichkeiten. 160 Seiten. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2015. 24 Euro – www.pustet.at