Die Konzertkarte aus dem Jugendstil-Kiosk

BUCHBESPRECHUNG / JUGENDSTIL IN SALZBURG

27/09/13 Jugendstil und Salzburg? Gibt das überhaupt Stoff her für ein ganzes Buch? Ist doch gründerzeitlichem Bauen im Vergleich zu anderen Städten der Monarchie hierorts mehr als kümmerlich ausgefallen. Eine Kunsthistorikerin auf Spurensuche.

Von Reinhard Kriechbaum

071Freilich, ein paar Bauwerke fallen einem sofort ein: Das alte Mozarteum zum Beispiel, das Geschäftsportal Pflanzelter in der Judengasse. Der Hauptbahnhof natürlich auch (dessen Mittelbahnsteig die Autorin Jana Breuste, eine Intimkennerin des Jugendstils, sehr laut nachweint).

Anderes müsste einem eigentlich längst aufgefallen sein, etwa der Salzachhof gegenüber dem Gerichtsgebäude am Beginn der Nonntaler Hauptstraße. Aber dort ist man meistens mit dem Überleben im Straßenverkehr hinlänglich beschäftigt und kommt nicht so zum Schauen. Auf vieles andere wird man von der Autorin nun mit der Nase gestoßen: Vom Erentrudishof, dem Wirtschaftshof der Benediktinerinnen vom Stift Nonnberg in der Morzger Straße über den Mozartsteg bis zur Villa Geppert an der Stauffenstraße. In Parsch, Aigen und anderen Stadtrandlagen findet sich so manche Villa in reinem oder weniger ausgeprägtem Jugendstil. Aber dass einem in der Neustadt das Mietshaus Haydnstraße 5 noch nicht wirklich aufgefallen ist? Wahrscheinlich deshalb, weil der prachtvolle Eingang an der schmalen Seite gegenüber dem Marktbuden-072Dreieck an der Wolf-Dietrich-Straße liegt. Wie viele gründerzeitliche Bauten ist auch dieses Haus, dessen Stiegenhaus-Foyer man eigentlich gesehen haben sollte, mit dem Namen Ceconi (Vater Valentin, Sohn Jakob) verknüpft. Die Ceconi waren nach Salzburg gekommen, weil der Befestigungsring um die Neustadt geschleift wurde und die Sache nach einem guten Betätigungsfeld für Baumeister roch.

074Der Ferstel-Schüler Jakob Ceconi begegnet einem oft in dem Buch. Karl Pirich war der einzige in Salzburg tätige Schüler von Otto Wagner. Bei ihm haben die Nonnberger Schwestern ihren Wirtschaftshof in Auftrag gegeben. Aus den Namen der Architekten, Baumeister und Bauherren, die Jana Breuste zu den einzelnen Bauwerken sehr genau recherchiert hat, erfährt man auch viel über das „bessere“ bürgerliche Leben in der Stadt in den Jahren nach 1900.

073Die architektonischen Freigeister sind freilich in der Stadt nicht zuhause gewesen. Also verbirgt sich manch Jugendstiliges in Bauten im Sinn der Heimatschutzbewegung, die später durch den Nationalsozialismus aus gutem Grund in Misskredit kam. Das Pseudo-Anpässlerische passte gut zum Salzburger Denken. „Es fehlte eine über den Konformismus erhabene Minderheit, von der innovative Anregungen hätten ausgehen können“, schreibt Jana Breuste im Vorwort. „Ein solches Wirtschaftsbürgertum, wie es in Wien als Mäzen in Erscheinung trat, bildete allein im Kur- und Sommerfrischetourismus die Bauherrenschaft, weshalb die Projekte in den ländlichen Regionen Salzburgs oftmals sogar eine höhere Qualität aufweisen.“ Klar also, dass sie im Gasteinertal fündig geworden ist, und auch im Seenland ist so manche Jugendstil-Villa erhalten.

Das Buch „Jugendstil in Salzburg“ ist jedenfalls eine gründliche Aufnahme des Vorhandenen (mit manchem Hinweis auf unterdessen Untergegangenes). Das Buch in der Hand, möchte man sich gleich mal aufs Fahrrad schwingen und zu einer einschlägigen Stadttour aufbrechen. Und im Mozarteum wird sich der Jugendstil-bewusste Musikfreund künftig mit deutlich mehr Andacht als bisher bei Karten-Kiosk anstellen.

Jana Breuste: Jugendstil in Salzburg. 144 S., Verlag müry salzzmann, Salzburg 2013. € 28.- www.muerysalzmann.at
Buchpräsentation am Sonntag („Tag des Denkmals“, 29.9.) um 10 Uhr, Gasthaus „Zur goldenen Kugel“ (Pflanzelter Haus), Judengasse 3

Zur Leseprobe {ln:Die Illusion einer heilen Welt}