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Ein Hallodri an der Front und im Fernsehen?

BUCHBESPRECHUNG / KARL MÜLLER / WASTL FANDERL

06/03/13 Dass die lupenreine „biographische Wahrheit“ nicht zu haben sei – das schickt der Autor voraus. Sie ist schon gar nicht zu haben, wenn es um jemanden geht, der sich wie Wastl Fanderl auf dem zeitgeschichtlich so vorbelasteten Gebiet der Volkskultur bewegt hat. Oder doch?

Von Reinhard Kriechbaum

Wastl Fanderl (1915-1991) galt als eine der Galionsfiguren der bayerischen Volksmusikpflege. So richtig populär geworden ist er ab den fünfziger Jahren durch Hörfunk und Fernsehen. Aber da waren die (vermeintlich) wirklich spannenden Jahre – jene, auf die sich Zeitgeschichtler bei Leuten dieser Generation heutzutage stürzen – schon vorbei. Ein Volksmusiksammler und -pfleger wie Wastl Fanderl ist ja fast zwangsläufig einem politisch indoktrinierten System einverleibt worden. Er ist aufs Engste in Tuchfühlung geraten mit den Ansinnen, die in der NS-Zeit an jene gestellt wurden, die sich professionell der Volkskultur widmeten. Da waren Erwartungen zu erfüllen, und es gab selbstverständlich auch Erwartungen der leidenschaftlichen Volksmusik-„Pfleger“ an das politische System, dessen sinistre Absichten viele gar nicht wirklich durchschauten.

Fanderl wird unterschwellig immer ein als ein etwas liederlicher Musikant, wenn nicht gar als ein Hallodri beschrieben. So einer mag es etwas leichter gehabt haben als beispielsweise der Salzburger Tobi Reiser. Der war in diesen kritischen Jahren ein g’standener Vierziger, karrierebewusst und absolut bereit, die Register zu ziehen, die ihm der Staat bereit stellte. Wastl Fanderl, acht Jahre jünger als der alte Reiser, war deutlich unbelasteter und in den Augen der Machthaber noch nicht zwingend ausersehen für die erste Reihe. Glück in mehrfacher Hinsicht: Seine Betätigung als volksmusikalischer „Entertainer“ für die Soldaten – in Griechenland ebenso wie an der Russland-Front – schuf geographischen und vielleicht auch ideologischen Abstand. Und als es wirklich beinah ernst geworden wäre – Fanderl wäre ausersehen gewesen, „Beauftragter für Volksmusik im Lande Salzburg“ zu werden –, da kam auch wieder die Einberufung gerade rechtzeitig daher.

Es ist imponierend, welche Fülle an dokumentarischem Material Karl Müller ausgewertet hat. Aber es ist noch viel beeindruckender, wie der Autor wertend umgeht mit diesem Material. Der Salzburger Germanistik-Professor ist einer, der (nicht zuletzt wegen seiner Mitarbeit im Institut für Jüdische Kulturgeschichte an der Universität Salzburg) höchst sensibilisiert ist für „braune Flecken“. Und zugleich ist Karl Müller quellen-kundig genug, um auch die nötigen Schattierungen aufzuspüren. Er geht nicht vorschnell verurteilend all jenen Formulierungen auf den Leim, um die ein Buch- oder Notensammlungs-Autor damals in diversen Vorwörtern gar nicht herumgekommen ist. Die akkurate Bewertung der Quellen, das Abgleichen mit Zeit-Typischem sind Vorzüge, die diese Biographie auszeichnen. Es wird nichts unter den Tisch gekehrt, aber Müller hütet sich auch, blindwütig die politische Moralkeule zu schwingen. Karl Müller scheut keineswegs das ideologische Einordnen, die Wertung. Aber der Weg zu seiner Meinungsfindung sind im ausführlichen Zitat-Teil genau belegt.

Das Buch heißt im Untertitel „Volkskultur im Wandel der Zeit“. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Biographie illustriert nämlich die Brauchtumspflege nach dem Krieg, etwa Wastl Fanderls Umgang mit den Medien. Berührungsängste kannte er, ein Kontakt-Genie und blendender Kommunikator, wohl nicht. War er damit einer, der letztendlich Leuten wie Karl Moik und Andy Borg (und wie die Vertreter des Volks-Dümmlichen alle heißen) zugearbeitet hat? Es gab genug Kritiker aus den Reihen der Volksmusik, Puristen und „Reinhalter“, die ihm durchaus nicht immer grün waren. Auch da sichtet Karl Müller, schlüsselt er unterschiedliche Perspektiven auf und spricht immer wieder auch die Fußangeln an, die hinter jeder medialen Aufbereitung von Volksmusik lauern.

Karl Müller betreibt Musik übrigens nicht nur theoretisch, er ist selbst verhaftet in der Volksmusikszene. Er kennt die Musik, über die er schreibt, so gut wie ihre Protagonisten, ihre Förderer und Kritiker. Auch das hilft ihm zu einem klaren Blick. Über die Person Wastl Fanderls hinaus erfährt man aus diesem Buch also viel über das „Metier“ selbst.

Karl Müller: Wastl Fanderl, Volkskultur im Wandel der Zeit. Otto Müller Verlag, Salzburg 2012, € 32.- www.omvs.at
Morgen Donnerstag (7.3.) spricht um 20 Uhr in den Räumen der Frauenhilfe Salzburg (Franziskanergasse 5a) Ulrike Kammerhofer mit dem Autor über Wastl Fanderl und das Buch.

 

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