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Vom ewigen Eis und seiner Endlichkeit

BUCHBESPRECHUNG / DIE PASTERZE

07/10/11 Nicht nur in den Fünfzigern, noch in den Siebzigern, war es ein Familienausflug mit Pilgercharakter, wenn auch niemand in den jungen Familien bewusst der Nachkriegszeit, des Wiederaufbaus oder gar der Zwangsarbeiter beim Staumauer-Bau auch nur „gedacht“ hatte. Der Ausflug auf den Großglockner, mit dem Auto, das diesen gerade „derschnauft“ hat, blieb den damaligen Kindern jedenfalls in Erinnerung. Man erlebte etwas Großes.

Von Heidemarie Klabacher

Seltsam blass dagegen sind die Erinnerungsbilder vom Gletscher, der „Pasterze“. Dabei wäre sie vor vierzig Jahren noch deutlich größer und beeindruckender gewesen. Im Buch „Die Pasterze. Der Gletscher am Großglockner“ kann man beinahe jahrweis den Rückzug des „Ewigen Eises“ nachvollziehen. Gegengleich mit dem Vormarsch des grauen Gerölls über der verbleibenden Eisdecke, das diese zwar schützt - aber eben immer noch miekriger aussehen lässt.

Der Schutt kommt daher, dass sich auch die Ebene des Permafrostes, banal gesagt das durchgeforene Gestein, immer höher hinauf verzieht, nach dem Auftauen bröckelig wird - und in teils sensationellen Fels- und Gesteinsstürzen hinunter auf den Gletscher poltert. Auch die "Stütze" durch das Eis im Glechterkessel fällt weg. Zum Glück ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bei solchen Stürzen nie ein Mensch, nicht einmal touristische Infrastruktur, zu schaden gekommen.

Dass die „Unterschutzstellung“ der einzigartigen Naturlandschaft in Österreich keineswegs eine g’mahte Wiesen war ist heute kaum mehr vorstellbar. Lifte und Gondelbahnen werden zwar sogar heutzutage in sensibelsten Gegenden konzipiert und genehmigt, der Nationalparkgedanke als solcher hat sich immerhin durchgesetzt. Und sei es nur als Marketinginstrument für den Tourismus. Vor dreißig vierzig Jahren hat es das nicht gegeben.

Immer wieder musste der Alpenverein, als Grundbesitzer, die massive touristische oder auch energiewirtschaftliche „Nutzung“ des Geländes um die Pasterze verteidigen. Gondelbahnen auf den Großglockner sind wenigstens heute kein Thema mehr. Allein von dieser Seite allein betrachtet ist das Buch „Die Pasterze“ enorm spannend. Erzählt es doch die Geschichte des Naturschutz-Gedankens und zeigt es, wie einzelne weitsichtige Persönlichkeiten Weichen für Generationen stellen: Im Fall der Pasterze ist eine Schlüsselfigur der Villacher Baumeister und Holz-Industrielle Albert Wirth, der das Gebiet von den verarmten adeligen Kärntner Besitzern (lustig: Wirth war der Ehemann der Besitzerin) gekauft und einfach dem Alpenverein geschenkt hat.

Wie die Pasterze immer stärker Forschungsgegenstand von Glaziologen, Biologen und Geographen bzw. Geographiehistorikern wurde, erzählen die beiden Autoren und Glaziologen Gerhard Karl Lieb und Heinz Slupetzky in anspruchsvoller aber anregender Sprache. Nicht immer ganz leicht lesbar, aber immer klar verständlich und brillant aufbereitet in übersichtlichen Kapiteln.

Wie Kaiser und Kaiserin da waren - und welch' positive Folgen für den Tourismus der allerhöchste Besuch hatte, wird ebenso erzählt, wie die Pioniertaten der Erstbesteiger und Erstvermesser des Glockners und des ihm zu Füßen liegenden Gletschers. Die Errichtung der Großglockner Hochalpenstraße wird ebenso kritisch gewürdigt.

Dem Rückgang- Gletscherschwund - der Paterze gilt die besondere Aufmerksamkeit. Der andauernde Masseverlust ist inzwischen unumkehrbar. Auffällt die kritische Position der Autoren Karl Lieb und Heinz Slupetzky, die sich dennoch um Objektivität bemühen: Keine Fanatiker sind am Wort, sondern Wissenschaftler, die belegen, was sie sagen.

Brillante Fotographien von Heute und aussagekräftige Fotos aus der Vergangenheit (beinah seit der Erfindung der Fotographie), aber einzelne Kupferstiche (Landkarten oder botanische Zeichnungen) ergänzen das spannende Buch.

Nationalpark Hohe Tauern, Österreichischer Alpenverein (Hg.): Gerhard Karl Lieb,  Heinz Slupetzky: Die Pasterze. Der Gletscher am Großglockner. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2011. 158 Seiten, 24 Euro

 

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