Behalten Sie den Käse, er riechet viel zu stark

BUCHBESPRECHUNG / KOCHKUNST & ESSKULTUR IM BAROCKEN SALZBURG

„Es ist alzeit besser, wenn mann aus der Küchen; als wenn mann aus der Apotheken die medicin entfangen unnd gebraucht.“ Gegessen hat man immer gern, in Salzburgs besserer Gesellschaft. Die Kochkunst im Barock war ja tatsächlich weiter4, als die Medizin. Küche und Keller wurden dementsprechend hoch geschätzt. Nicht immer geschätzt hat man das Küchenpersonal - schon gar nicht, wenn es den eigenen Kreisen zu nahe kommen drohte.

Von Heidemarie Klabacher

Ganz Salzburg hat sich das Maul zerrissen: Der junge Sigmund Haffner will eine Köchin heiraten! "altEin abscheuliches schwarzes Mensch, mit einem mageren grosaugeten völligen Affengesicht“, wie Leopold Mozart seiner Frau sogar nach Paris schreibt. Anna Maria trägt postkutschen-wendend zum Skandal anno 1778 bei: „Was den Hafner Sigerl belangt habe ich von herzen gelacht, denn ich kenne das Mensch“ - eine gute Bekannte jenes Dienstmädchens, „das uns so betrogen hat“.

Aber die Kochkunst und Speisenkultur standen in hohem Ansehen. Vier handgeschriebene und 42 gedruckte Koch- und Haushaltsbücher vom 15. bis zum 19. Jahrhundert hütet die Universitätsbibliothek. „Die älteste Rezeptesammlung ist zugleich auch die spektakulärste: Mit mehr als sechzig Kochrezepten aus dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts überliefert uns diese Handschrift die umfangreichste Sammlung kulinarischer Köstlichkeiten aus dem mittelalterlichen Salzburg“, heißt es im Vorwort.

altEs ist ein Topfgucken auf höchster sozialer Ebene: Die Speisegewohnheiten der Fürsterzbischöfe (samt Einblick in Küche und Keller - 75 Fleischkessel gab es etwa zur Regierungszeit von Kuen-Belasy) werden als erstes aufs Korn genommen. Dass es auch dabei nicht ohne Klatsch und Tratsch abgeht, versteht sich.

Allein die Tafel der Salome Alt! Gott behüte! „Sie saß in gold-, orange- und aschfarbenen Kleidern zu Tische, trug Röcke in den Farben Scharlachrot, Himmel- und Veilchenblau, wechselte ihre gelb und blau gestreifte Garderobe mit grün, braun und schwarz gefärbten Gewändern…“ An dieser sündhaften Tafel wurde die Fastenzeit äußerst locker gehandhabt. Fürsterzbischof Wolf-Dietrich hat größten Wert auf eine kompetente und präzise Bedienung bei Tisch wert gelegt. Für Bankette war das Silbergeschirr „ziemlich stattlich aufzutragen“. Dafür scheint Wolf Dietrich auch bei vergleichsweise guter körperlicher Verfassung gestorben zu sein: Bei der 2004 durchgeführten Untersuchung der sterblichen Überreste sei der „außerordentlich gut erhaltene Zahnapparat des Fürsten“ aufgefallen.

alt„Nudeln für den Erzbischof“, „Salomes Gastmahl“, „Verbannt und hofiert: Frauen an der Salzburger Hoftafel“ heißen die appetitanregend geschrieben, meist nur zwei Seiten kurzen Kapitel, die eine unglaubliche Fülle an kultur- und sozialhistorischen Informationen bieten.

Besonders reizvoll ist die sparsame und daher besonders wirkungsvolle Bebilderung mit Motiven aus Büchern der Sondersammlungen der UB: hier etwa die älteste Abbildung einer Kartoffel in europäischen Literatur (aus 1666), da eine schlanke Hopfenranke (1855), dort ein aus einer Serviette gefalteter Hund (1665).

altNach dem Treiben bei Hofe blickt man den Damen im Stift Nonnberg auf den Tisch: „Die Schwöstern sollen Nit bier und wein durcheinander trinken, sondern wie es einer ieden tauglicher ist Wein allein, oder Bier allein - und nit über die bewilligte Mass schreiten“. St. Peter wird ebenso besucht wie die Franziskaner und die Augustiner-Eremiten (Braukunst!).

Das Autorenteam lädt also ein auf einen ebenso unterhaltsamen wie informativen Streifzug. Christoph Brandhuber leitet das Archiv. Beatrix Koll leitet die Abteilung für Handschriften und alte Drucke, Diana McCoy ist Mitarbeiterin dieser Abteilung. Herausgeberin des Buchs ist Ursula Schachl-Raber, die Leiterin der Universitätsbibliothek.

Und da darf natürlich ein Blick in die Universitätsküche nicht fehlen: Aus dem Kapitel „Studentenfutter“ nimmt man als wohl erstaunlichste Information mit, dass die Professoren routinemäßig einmal im Studienjahr zur Ader gelassen wurden. „Aus diesem Anlass gab es stets einen Aderlaß=Schmauß“. Und die Studenten fuhren derweil auf Ausflug nach Hellbrunn, wo alle Erstsemestrigen - in Unkenntnis der Tücken der Wasserspiele - „waschnass wurden“.

Das sind schon recht weitreichende Folgen der Kochkunst. „Kochkunst und Esskultur im barocken Salzburg“ erscheint jedenfalls als erster Band der Reihe „uni bibliothek“. Für sie werden künftig „besondere Schätze aus dem Tiefspeichern und dem Archiv der Universitätsbibliothek gehoben werden“, kündigt man an.

Christoph Brandhuber, Diana McCoy und Beatrix Koll: Kochkunst und Esskultur im barocken Salzburg. Eine kleine Kulturgeschichte des Kochens, Essens und Feierns. Verlag Müry Salzmann, Salzburg 2010. 176 Seiten, 28 Euro.
Das Buch wird heute Donnerstag (20.5.) um 18.30 Uhr in der Bibliotheksaula (Hofstallgasse) präsentiert:  mit Vorträgen, barocken Schmankerln und barocker Festmusik.