Zur Hintergrundgeschichte Ins Wirtshaus ja, zur Chorprobe nein (3.5.)

05/05/21 Als selbst Betroffener, dessen Brotberuf im Kultur- und Bildungsbereich verortet ist, zähle auch ich mich zu jenen, die sehr ernüchtert und natürlich auch frustriert sind, nachdem sie innerhalb eines Jahres erfahren durften, wie gering ihr Stellenwert innerhalb eines Rasters der „Systemrelevanz“ definiert wird. Daher finde ich Ihren Artikel grundsätzlich begrüßenswert, die Passagen über Bergrettung und Feuerwehr jedoch (nicht zuletzt in der Formulierung) unangebracht und außerdem auf einer Fehleinschätzung Ihrerseits beruhend. Denn man kann eine Kultureinrichtung oder -initiative schlicht und einfach nicht mit einer Rettungsorganisation vergleichen. Stellen Sie sich z.B. bei der Bergrettung eine Suchaktion nach einem Wettersturz auf dem Tennengebirgsplateau oder einen Lawineneinsatz vor: Hilfe muss geleistet werden, das ist der erste und wichtigste Punkt, sonst sterben die Vermissten oder Verschütteten. Das heißt, man kann einen Rettungseinsatz nicht einfach absagen, verschieben oder daheim bleiben. Unter Umständen sind mehrere Ortsstellen mit insgesamt über 100 Bergrettungsleuten plus Feuerwehr plus Rettung etc. involviert. Im steilen und konditionell fordernden Gelände (viel Spaß mit einer FFP2-Maske) muss man (z.B. beim Abseilen oder der Versorgung von Verletzten) sehr eng und oft mit Körperkontakt zusammenarbeiten (beim 2-Meter-Abstand befände man sich oft 2 Meter untereinander). Überdies hat die Bergrettung Rufbereitschaft, d.h. wenn eine Alarmierung reinkommt, gehen in derselben Minute alle Ehrenamtlichen in den Einsatz, die irgendwie von der Arbeit weg können: Also kann man sich nicht eben für einen Einsatz „freitesten“ – der Anmarsch im Gelände dauert lang genug und kann eine harte Geduldsprobe für die Verunglückten sein oder auch über Leben und Tod entscheiden. Bleiben wir also bitte – bei allem Ärger und Frust – sachlich und differenziert.
Wolfgang Dreier-Andres (aktiver Bergretter seit 2002)