Zur Meldung Heilige Scheiße oder das Gelbe vom Gau (29.9.)

01/10/20 Ihren Bericht vom 29. 09. 2020 über die Präsentation des SUPERGAU-Festivals auf DrehPunktKultur leiten Sie wie folgt ein:
"Sensible oder fantasielose Gemüter regen sich ja seit Gründung des Ganzen über den Titel auf. Super-Gau. Immerhin eine kreative, vielschichtige und provokante Wortschöpfung. Ob die Festival-Inhalte der Steilvorlage im Titel gerecht werden? Das wissen wir nächstes Frühjahr, wenn von 14. bis 23. Mai 2021 der Supergau für zeitgenössische Kunst stattgefunden haben wird.“
Als eines jener „sensiblen oder fantasielosen Gemüter“, das sich mehrmals in offenen Briefen und Mails gegen den Titel ausgesprochen hat, fühle ich mich nicht nur von Ihren Zeilen angesprochen, sondern auch missverstanden und, ja, auch das, verhöhnt. Umgekehrt frage ich mich, wie man den Titel des Festivals als „kreative, vielschichtige und provokante Wortschöpfung“ bezeichnen kann. Zum einen handelt es sich nicht um eine originäre Wortschöpfung, denn der Begriff besteht seit Jahrzehnten und bezeichnet ganz konkret und unmissverständlich den größten ernstzunehmenden Unfall z.B. bei einem Kernkraftwerk; zum anderen sehe ich darin weder etwas Kreatives noch Vielschichtiges. Ein Kunstfestival SUPERGAU zu nennen zeugt hingegen von einer geschichtsvergessenen, vor allem den Opfern gegenüber unsensiblen und gesellschaftspolitisch fragwürdigen Denkart, die die Konnotationen eines Begriffs einfach ignoriert und eines Landesrats und vor allem KünstlerInnen und Künstlern nicht würdig ist. Dass sich derart viele (angeblich an die 300!) trotz des fragwürdigen Festival-Namens beworben haben, erscheint mir alarmierend. Vielleicht kommen bald weitere Kleingeister und finden es lustig und vor allem kreativ, vielschichtig und provokant, Wortspiele mit Begriffen und Namen wie Mauthausen (Festival der Steinmetzer „maut-häuslich“), Dachau (Berufsmesse der Dachdecker „Dach au weh“) usw. zu machen? Zum Gaudium der einen und zum Entsetzen sensibler, aber sicher nicht fantasieloser Gemüter.
Aber vielleicht habe ich Ihre Zeilen nur missverstanden und die darin enthaltene Ironie nicht wahrgenommen...
Kopfschüttelnd grüßt
Christoph Janacs