The Hills are alive, echt!

HINTERGRUND / HALLEIN

06/03/14 „The Hills are alive“, singt Julie Andrews, und die Kamera schwenkt übers Gebirge. Man erkennt die Barmsteine, die beiden markanten Felsen über Hallein, ganz deutlich. Die Hügel leben also. Überraschenderweise stimmen nicht nur Biologen, sondern auch Geologen dieser Beobachtung aus der Musical-Verfilmung „The Sound of Music“ bei.

121Sie leben erstaunlich lebhaft, denn für Geographen ist eine Bewegung von anderthalb bis zwei Zentimetern pro Jahr schon ein recht rapides Tempo. In dieser Geschwindigkeit wandert nämlich der Haselgebirgsstock, in den man sowohl von Berchtesgadener als auch von Halleiner Seite Stollen zur Salzgewinnung trieb in Richtung Westen. In Bad Dürrnberg beim Hahnrain zwischen den beiden Grenzübergängen Kranzbichl und Gmerk bewegt sich die Staatsgrenze also beständig in Richtung Deutschland, Salzburg „knabbert“ am Bayerischen Territorium. Der Grenzstein schwimmt geduldig mit…

So genau nimmt man es ohnedies nicht mit dieser Grenze: In dem Gebiet ist eine Geo-Fachgruppe nach deutschem Recht in Österreich tätig ist, den Vorsitz hat ein deutscher Bergbauexperte. Umgekehrt schreibt die österreichische Montanbehörde der Salinen Austria AG für das Salzbergwerk Hallein vor, was in den von Österreich aus unterirdisch vorangetriebenen Stollen auf bayerischem Staatsgebiet zu tun ist.

Uns als Kultur-Medium interessiert das Geologische eigentlich weniger. Schon eher die Geschichte. Noch ungestörte, weil noch nicht geöffnete und erforschte Keltengräber gibt es dort zuhauf. Warum heißen die zwei Felstürme Barmsteine? Das geht auf einen mittelalterlichen Grundbesitzer, einen gewissen Herrn „Pabo“ zurück. Auf historischen Karten sind die Felsen noch als „Pabensteine“ verzeichnet.

Eine Legende berichtet, dass der Teufel einst auf einer wesentlich höheren durchgehenden Felswand die Aussicht genoss, die von einer Prozession im darunter liegenden Oberalm erheblich gestört wurde. Angesichts der Frommen sei der Teufel so in Rage geraten, dass er Felsen als Wurfgeschosse herausriss. Er verfehlte sein Ziel und fuhr verärgert zur Hölle, allerlei Schutt zurücklassend.

122Der Leibhaftige meldete sich in düsteren Jahren erneut: Die Barmsteine bilden die Grenze zwischen Salzburg und Bayern, die genau über den Scheitel verläuft. Auf den Großen Barmstein führt nur ein in Salzburg beginnender Steig, auf seinen kleineren Bruder gelangt man wegmäßig nur von der bayerischen Seite. Das machten sich in der Ständestaat-Zeit vermutlich illegale Halleiner Nationalsozialisten zunutze, seilten sich vom Gipfel auf die im Salzachtal weithin sichtbare glatte Ostwand ab, um Hakenkreuze und Nazi-Parolen aufzupinseln. Die ständestaatliche Heimwehr versuchte sich mit einem Kruckenkreuz in die Gegenrichtung zu revanchieren, das aber bald vom Regen verwaschen wurde. Auch mit Lautsprechern, die das Horst-Wessel-Lied und NS-Parolen ins Nachbarland plärrten, versuchte die deutsche Seite auf dem Kleinen Barmstein Sympathisanten in Österreich zu gewinnen, berichtet der Halleiner Historiker Wolfgang Wintersteller. Die Hakenkreuze auf der Barmstein-Ostwand blieben noch lange nach dem Krieg erhalten. Ob es an mangelnden bergsteigerischen Fähigkeiten oder fehlendem Geschichtsbewusstsein lag, ist ungewiss.

Diabolische Klänge vernimmt man dort droben auch, wenn der Sänger Werner Ruttinger mit Atem-Wärmegerät und Megaphon ausrückt und zu Schuberts „Winterreise“ oder Ähnlichem einlädt. Dieses urige Liedgesang-Unternehmen mit beeindruckendem Authentizitätswert läuft unter „Salzburger Naturfestspiele“. Ruttingers Podium hat es als angeblich größte Freiluftbühne der Welt 1998 sogar ins Guiness Buch der Rekorde gebracht. Die nächste Performance unter dem Titel „Schubert am Abgrund“ ist für 13. September angekündigt.

123Ein wenig mit Kultur hat wohl auch das Bierbrauen zu tun. Das am Fuß der Barmsteine gelegene Hofbräu Kaltenhausen ist mit dem Gründungsjahr 1475 Salzburgs älteste Brauerei. Nach dem Tod des ersten Besitzers Hans Elsenheimer kam die Brauerei nach 20 Jahren Rechtsstreit zwischen Erben und Erzbischof schließlich in den Besitz der erzbischöflichen Hofkammer. 1898 wurde sie an die Deutsche Bank verkauft. In den 1920er Jahren schloss sich Kaltenhausen mit vier weiteren Brauereien zur Österreichischen Brau-AG zusammen, die 1993 zur Brau-Union und später zu einem Unternehmen im internationalen Heineken Konzern wurde. Deutsche Bank oder Heineken – was ist betrüblicher, ja schmählicher für ein traditionelles Brauereiunternehmen?

Aber wenigstens gibt es etwas Positives zur Öko-Bilanz der Brauerei, genauer: zum Kühlen des Biers zu erzählen. Seinen Namen verdankt Kaltenhausen nämlich einem geologischen Phänomen. In so genannten Windröhren strömt kalte Luft unter dem eiszeitlichen Schutt der Barmsteine herab, als kühlender Wind trittg sie aus dem Boden aus. Diese natürlichen Eiskeller erwiesen sich für das „Kalte Bräuhaus“ noch bis in die 1930er Jahre als äußerst nützlich und werden heute noch für Lagerzwecke benutzt. Echte Connaisseurs bestellen deshalb in Kaltenhausen ein „Kellerbier“.

Dies und andere regionale Auffälligkeiten sind einem neuen Beitrag in der Reihe „Grenzfälle“ auf www.salzburg.gv.at zu entnehmen. Es ist die Plattform des Landes für die Europaregion.
Hofbräu Kaltenhausen: www.kaltenhausen.at
Die „Naturfestspiele Salzburg“: www.naturfestspiele.de
Bild: Landesmedienzentrum / Alupus (1); Naturfestspiele Salzburg (1); Hofbräu Kaltenhausen (1)