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Literatur durch Rahmen, Zeitfenster und Gucklöcher

RAURISER LITERATURTAGE /REPORTAGE

05/04/13 ... da kann es passieren, dass man die Mittagspause mit einem Cappuccino in der Sonne und dem Rauriser Literaturpreisträger Matthias Senkel verbringt. Nur weil dieser seine Zeitfenster gerne mit Gesprächen über Genrefragen und die Kategorisierbarkeit seines Debütromans  füllt und uns Studenten vorschnelle postmoderne Schlüsse überdenken macht. Rauris: nachdrücklich, händedrücklich, eindrücklich. Literaturtage durch Rahmen, Zeitfenster und Gucklöcher.

Von Oliwia Blender und Anna Stockinger

491Unermüdlich steht der junge Autor uns auch nach der programmgemäßen Diskussionsrunde bereitwillig Rede und Antwort und wenn er danach mit ironischem Augenzwinkern fragt, ob die Zitrone nun ausgequetscht sei, erkennt man auch an der Privatperson den trockenen Humor der „Frühen Vögel“ wieder.

Nach Rauriser Raum- und Zeitkoordinaten geht es am Donnerstag (4.4.) um 14.30 Uhr mit einem offiziellen Programmpunkt weiter. Renate Silberer liest ihre mit dem Förderungspreis ausgezeichnete Erzählung „Linie Linkshand sucht das Reh“.

„Blicke aus dem Fenster in die Wipfel der Bäume./Sätze Fragen wo sind die Gedanken in der Tasche im Rucksack./Blicke auf den Fasen den Zaun die Scheune das Dach den Himmel.“

So der Beginn der Erzählung, welche - wie auch die Laudatio - in der Sonderausgabe der Literaturzeitschrift SALZ zu den Rauriser Literaturtagen, nachzulesen ist. „Der Text zeichnet eine Suchbewegung in die Vergangenheit, genauer gesagt in die eigene Familiengeschichte nach (…) Wörter, ja ganze Sätze werden wiederholt und variiert, Bedeutungskonturen verschoben und Schlaglichter auf einzelne Elemente geworfen“, so Jurymitglied Daniela Bartens.

489Der nächste Schauplatz- und somit Perspektivenwechsel wird um 16 Uhr vollzogen: durch die Auffahrt mit der Gondel zur Heimalm, durch circa 1400 Meter Höhenunterschied, die vogelperspektivische Aussicht über Rauris - und den (Aus)blick durch Gucklöcher im Treppengeländer. Denn es gibt es mehr Interesse als Sitzplätze - und eine Holztreppe in der Mitte des Raumes in der Heimalm bietet Platz zum Hören und Sehen. Und wir staunen über drei Autoren, die sich dem Motto „Lebens.Wege“ auf so vielfältige Art und Weise nähern, unterschiedliche aber ebenbürtige Blickwinkel einnehmen, alle woanders aber alle gleich genau hinschauen.

In „Die zweite Fremde“ (be)sucht Christoph W. Bauer jüdische Emigranten. Er spürt „zehn jüdischen Lebensbildern“ nach und erzählt von den Lücken und Brüchen in diesen Biographien, von der Gegenwart und von den scheiternden wie auch immer wieder geglückten Versuchen im Exil, in der Fremde heimisch zu werden. Das literarische Ego  tritt dabei zurück, an die Stelle des „literarischen Experiments“ tritt die befragte Person.

490Anna Weidenholzers Roman „Der Winter tut den Fischen gut“ ist das Portrait einer Frau in mittleren Jahren, die mit den Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit zu kämpfen hat. Sie repräsentiert den anonymen Menschen, der für die breite Masse der Arbeitslosen steht und dessen Lebensweg von „Rationalisierungsmaßnahmen“ unterbrochen wurde. Das Leben der Protagonistin Maria wird rückwärts erzählt endet mit den unbefangenen Zukunftsträumen einer Jugendlichen. Anna Weidenholzer beruft sich in ihrem Roman auf Interviewgespräche und skurrile Ratgeber und verleiht gemeinsam mit ihrem Blick für ungewöhnlich-alltägliches der gegenwärtigen Arbeitslosenproblematik eine individuelle Stimme und ein Gesicht.

Jürg Amanns geplante Lesung musste leider kurzfristig wegen Krankheit umdisponiert werden. Spontan wurde eine Lesefassung seines jüngsten Werkes „Wohin denn wir“ erstellt und stellvertretend im Dialog von Intendantin Ines Schütz und Günther Stocker vorgetragen. Diese Darstellungsweise unterstrich die zeitlichen Unterschiede zwischen den Kapiteln, in denen Jürg Amann zwei Jahrhunderte mit der Idee der idealistischen Weltveränderung verbindet.

Heute Freitag Vormittag (5.4.) fand die zweite Runde der Arbeitsgespräche statt, im großen Saal des Gasthofs Platzwirt, wo dieses Mal Studierende der Universitäten Klagenfurt und Wien die Schriftsteller Marion Brasch und Jürg Amman in den Fokus nahmen. Und auch wir finden uns erneut dort ein, stellen sozusagen unser Stativ auf und genießen die von den Klagenfurtern als Radiosendung inszenierte Fragestunde mit der Moderatorin und Autorin Marion Brasch, die durch Offenheit inspirierte und die Neugier speiste auf ihre Lesung am Samstagabend.

Für DrehPunktKultur berichten aus Rauris wieder Studierende von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung "Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2013)" am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.

All jenen, die die Studentinnen und Studenten in diesen Tagen auf ihren erlebnisreichen Wegen durch Rauris begleiten möchten, sei der Blog www.rauriserliteraturtage.blogspot.com empfohlen
Fotos: Oliwia Blender und Anna Stockinger

 

 

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