Die Freuden des Regens und der Kälte

LAWINE TORRÈN / SCHAFBERG 1911 – AUF DEM WEG ZUM MOND

03/10/12 Die Schafbergbahn als Tarnung für ein streng geheimes Militärprojekt der Monarchiezeit? Das ist so toll erfunden, dass man es am liebsten für wahr halten möchte. Raketenabschuss-Rampe wird es wohl doch keine gewesen sein, aber vielleicht ein Stützpunkt zur Luftraumüberwachung? Immerhin war vom Kaiserhaus abwärts alle Welt im Salzkammergut auf Sommerfrische.

Von Heidemarie Klabacher

Da zweifeln Verschwörungstheoretiker noch heute an der Mondlandung von 1968 – und wissen gar nicht, dass man 1911 auf dem Schafberg schon längst soweit war. „Alle Geschichten, die erzählt werden können, hätten auch Geschichte werden können“, philosophierte Hubert Lepka, der künstlerische Leiter von Lawine Torrèn, heute Mittwoch (3.10.) bei der Präsentation der Pläne zur Theater-Performance „Schafberg 1911 – Auf dem Weg zum Mond“ über die „historischen Hintergründe“.

Der Lokomotivführer Berthold Hödlmoser und sein Jugendfreund, der Physiker Carl Cranz, wollen mit einer Dampf-Rakete zum Mond. Die Abschussrampe für die Kapsel ist als Materialaufzug auf den Schafberg getarnt, das Projekt streng geheim: Die K&K Armee unterstützt das Experiment, das als „Hödlmoser-Cranz-Versuch“ in die Analen, zumindest von Lawine Torrén, eingegangen ist. „Die Schafbergbahn ist ein Überbleibsel dieser Versuche.“

Zu diesem „technoiden Drama“ kämen, so Hubert Lepka, auch noch komplizierte Liebes-Verstrickungen von „Schnitzler’scher Reigen-Dimension“. Das Buch ist von Joey Wimplinger. Die Performance entsteht derzeit in Köpfen und Computern, über die Bühne gehen soll sie in zunächst zehn Aufführungen von 19. bis 30. Juni 2013.

Sein Ziel auf dem Schafberg sei es, für jeweils zwei- bis vierhundert Zuschauer „die historische Umgebung von 1911 spürbar zu machen, ohne schlechte historische Filme zu kopieren“, erzählt Hubert Lepka.

Die Performancetruppe Lawine Torrén, die auf Hannibals Spuren schon die Alpen überquert hat, richtet mit ihrer neuen Produktion in Zusammenarbeit mit Schafbergbahn und Wolfgangsee Tourismus den Blick diesmal also auf eine gar nicht so ferne Vergangenheit: „Die Belle Epoque war eine Zeit des Aufbruchs in die Moderne - wirtschaftlich, künstlerisch, technisch“, so Hubert Lepka. „Der Erste Weltkrieg hat diese Modernität überholt und in eine Sackgasse geführt, aus der wir ein Jahrhundert lang nicht mehr herausgefunden haben. 1911 war grundsätzlich noch alles möglich – genauso, wie heute, wo ebenfalls alles möglich ist, wenn wir uns nicht selber in eine Katastrophe stürzen.“

Für die Aufführung des historischen Techno-Liebesdramas im K&K-Gewand gibt es einen realhistorischen Anlass: 2013 feiert die Schafbergbahn ihren 120. Geburtstag. Dieses Jubiläum wollte man nicht nur mit dem üblichen Festakt feiern, sagte Gunter Mackinger von der SLB, man wollte dem Schafberg „ein Gutes tun“, das weit über den Jahrtag hinausreicht.  Die Errichtung der Schafbergbahn vor 120 Jahren habe die damals Verantwortlichen vor technische Herausforderungen gestellt, „die alles was wir heute vollbringen in den Schatten stellen“. 120 Jahre lang haben die Schienen gehalten, jetzt werden sie erneuert, um für die nächsten 150 Jahre zu halten, so Gunter Mackinger: „Wir profitieren von den guten Entscheidungen vor 120 Jahren, wie wir auch an den schlechten Entscheidungen von vor 120 Jahren leiden.“

Mit der Performance „Schafberg 1911“ wolle man den Berg und Bahn noch weiter bekannt machen, „die zehn Vorstellungen von ‚Schafberg 1911’ werden einen Hype hervorrufen“, ist sich Hans Wieser sicher, der Geschäftsführer der Wolfgangsee Tourismus GmbH. Weitere Aufführungen werden von allen beteiligten Partnern gewünscht und begrüßt, an den Plänen wird gearbeitet.

Mitwirken werden - neben dem Team von Lawine Torrèn – auch lokale Brauchtumsgruppen, die Jägerschaft oder die Schafbauern, insgesamt etwa siebzig Personen. Er versuche auch, so Hubert Lepka, einige Mitglieder von Kameradschaftsbünden als Statisten zu gewinnen und hofft durch solche Begegnungen auf Horizonterweiterung.

Keine Performance ohne Musik: Ein Streichquartett aus Mitgliedern der „Philharmonie Salzburg“ wird live spielen, aber auch via Lautsprecher zugespielt werden. Streichquarette von Schubert, Schumann und Berg werden erklingen: „Werke die ebenfalls für eine Umbruchszeit stehen.“

Die Performance wird bei jedem Wetter funktionieren, betont Hubert Lepka. „Das Wetter spielt eine aleatorische Rolle, wir wissen das.“ Sollte es einmal allzu sehr regnen, werde man mehr Szenen im Schafberghotel mit seinem schönen historischen Saal spielen. Das Stück beginne ohnehin im Saal, manches spiele Indoor. „Wir werden auch die Regen-Kälte-Version gut bewältigen.“ Lawine Torrèn habe die Erfahrung so etwas zu machen – und mit Schafbergbahn und Wolfgangsee Tourismus bilde man ein gutes Produktionsteam.

Wenn man den Experten vom Schafberg und vom Wolfgangsee so zuhört, muss man ohnehin vor allem bei Sturm und Regen auf den Berg. „Der Schafberg bei Schlechtwetter ist sensationell.“

Sponsoren sind Porsche und Progress Werbung. Die Firma Swietelsky, spezialisiert auf Bahn- und Brückenbau, wird die „Abschussrampe“ nachbauen. Wenn der Hödlmoser-Cranz-Versuch tatsächlich nicht stattgefunden hat, hat vielleicht Christoph Ransmayr die Payer-Weyprecht-Expedition erfunden…

"Schafberg 1911 – Auf dem Weg zum Mond" - zehn Aufführungen von 19. bis 30. Juni 2013 - www.torren.at
Bilder: Lawine Torrèn / Magdalena Lepka